Getoppt!

Der Experte ist ja dadurch definiert, dass er – was seine Expertise betrifft – stets recht hat.

So behauptet ein Experte immer wieder gegen die Aussagen anderer, eine Leuchte sei ein Gestell, in dem eine Lampe für Licht sorgen kann. Seine Widersacher sehen es andersrum. Seine Eindeutigkeit und Verbindlichkeit ist allerdings nur darin begründet, dass der Experte stets recht haben soll. Das gehört zur konventionellen Weltdeutung, bleibt aber trotzdem unbegründet.

Der allgemeine Sprachgebrauch weist zahlreiche Unschärfen auf. Da geht es wild durcheinander. Die Sprache transportiert so viel Kontext, dass zum Schluss eine Verständigung meist auch bei einem Missverständnis gelingt. Alles andere wäre menschenfeindlich erstarrt und würde die Entwicklung der Sprache stagnieren lassen.

Allerdings haben sich Fachsprachen für den Arbeitsalltag von Experten herausgebildet, um die fachspezifischen Dinge verbindlich abzusprechen und dem Palaver zielgerichtet zu entgehen. Ob es nun die Fachsprache der Mediziner, der Historiker oder, bestimmter Handwerker ist, sie ist stets hilfreich. Wenn nun bestimmte Teile einer Fachsprache in die Allgemeinsprache schwappen, dann stecken meist autoritäre Charaktere dahinter, die die Randunschärfe der Allgemeinsprache nicht so recht ertragen können oder wahre Missionare, die bisweilen ganze Systeme von Schlüsselwörtern als Bestandteile von Ideologien neu zurechtdeuten.

Also: Im Alltag ist es unbedeutend, wenn man Leuchte und Lampe synonym oder anders verwendet. Der Witz dabei: Bevor der Experte über das richtige Wort den Streit vom Zaun bricht, hat es ja eigentlich schon eine Verständigung gegeben. Was will man mehr?

Deutungshoheit

Von der Satirepartei „Die Partei“ wurde argumentiert, dass hinter „Nazis töten.“ ein Punkt und kein Ausrufezeichen stehe und es daher keine Aufforderung sein könne. Sie hatte damit ihre Wahlwerbung pointiert.

Es geht ja eigentlich um eine Zweideutigkeit, die man für den mündigen Bürger bestenfalls ja auch ohne Anweisung ausliefert. Der Streit darüber befeuert nur die Absicht, solche Zweideutigkeiten bloß nicht aufzugeben. Im direkten Gespräch wäre die Zweideutigkeit schnell weg, weil man sich dann notgedrungen zu einer Variante bekennt. 

Schade! – Insofern ist es das Optimum, wenn man dem Zweiwortsatz auch noch den Punkt wegnimmt.

Der LKW

Wenn es um den LKW geht, werden wir oft belehrt, vor allem, wenn es um den Plural geht. — Ich will das nicht und es ist meist auch falsch.

LKW ist eine Kurzform eines anderen Wortes und ist als Akronym sogar auch ohne Vokal sprechbar. Solche Kurzformen sind eigenständige Wörter. Die Pluralendung kann in solchen Fällen vom Langwort übernommen werden oder aber neu gebildet werden. Dazu findet man in der Allgemeinsprache Vorbilder, die sich auch verständlich anhören. Am beliebtesten ist das angehängte s. Die Anfügung des s lässt sich also kaum vermeiden und gilt in diesem Fall regelgerecht als Plural 2. In dem Umfang, wie das Kurzwort praktischerweise das Langwort verdrängt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Plural 1 nicht mehr gebraucht wird.

SingularPlural 1Plural 2
Nominativder Lkwdie Lkwdie Lkws
Genitivdes Lkw des Lkwsder Lkwder Lkws
Dativdem Lkwden Lkwden Lkws
Akkusativden Lkwdie Lkwdie Lkws

Die Buchstabensuppe

Ich habe ja ein Faible für die Macht der wortbasierten Sprache. Manchmal überlege ich, was ich zeichnen würde, wenn ich die dazu erforderliche künstlerische Übung hätte, während das Talent vor sich hin schlummert:

„Der Wörtersee – ein Sittengemälde“

Schall und Rauch

Das ist jetzt nur ein Witz.

Fragt die Lehrerin am ersten Schultag: „Na, wie heißt du denn?“

„Ich heiße Ole.“

„Und dein Alter?

„Der heißt Swen.“

Der große Diktator

Im September 2023: Außenministerin Baerbock hat den chinesischen Präsidenten Xi einen Diktator genannt. Nun wird ihr entgegen gehalten, dass sie das nicht hätte sagen dürfen.

Die Diplomatensprache kennt so etwas wie Diktator nicht, eigentlich nur freundliche Worte. Außerhalb des Wirkbereichs der Diplomatensprache hat Frau Baerbock recht und könnte das sogar begründen. 

Diese standardisierte Diplomatensprache ist aber nicht der Weisheit letzter Schluss. Letztlich wird eine Sprache immer durch Regelverstöße fortgeschrieben. Das ist auch hier so. Etwas Diktator muss beim Diktator selbst schon ankommen. Wir spielen ja kein Theaterstück. Wir verbessern die Welt.

Der Lehrgang

Das WDR-Magazin Monitor bastelt an einem Lexikon gegen verharmlosende Klimasprache. Zum Beispiel: „Statt Klimawandel sollte es nach Ansicht der Redaktion zum Beispiel besser Klimakrise heißen.

Wandel klinge nach „einem sanften, natürlichen Prozess“.

Ich meine, diese in einem „Lexikon“ vorgelegte Auseinandersetzung muss unbedingt von Angesicht zu Angesicht stattfinden, aber nicht als Lehrgang zum Aufbau eines vereinheitlichten Sprachgebrauchs. So eine mediale Distribution hat nämlich etwas Übergriffiges im Anspruch und in der Wirkung.

Nachdenkung über die Vorbildfunktion

Der Mensch bastelt ja gern komplexe Substantive, um seinen Vorträgen Nachdruck zu verleihen. Früher war das offenbar nicht so sehr nötig. Noch vor einer Generation hieß es beispielsweise „Vorbild sein“, heute heißt es „Vorbildfunktion haben“.

Ich mag diese neue Überrüstung der Sprache nicht. Sie wirkt martialisch und verhindert dadurch auch, bestimmte Gespächsbeiträge zu bedenken. Sein ist ja immer authentischer als haben (siehe Erich Fromm) und eine Funktion ist ja eine abgeleitete Größe, die ja gar keine Rolle spielt, wenn es um sein oder haben geht.

Um am Beispiel zu bleiben: Das Vorbild an sich wabert seit hunderten von Jahren durch die Geschichte und ist seit jeher an die Idee gebunden, man würde durch reines Nacheifern erwachsen. Das galt für mittelalterlich gut integrierte Gesellschaften und gilt heute noch in wenigen Situationen bei Kindern, die entwicklungsbedingt noch in einer Rollenidentität leben. Für Erwachsene in der Gegenwart und für Kinder ab der Grenze zur sozialen Autonomie ist das Vorbild wertlos, wenn man nicht gerade verbindlich vorgeben will, was er zu tun und zu lassen, zu meinen und zu wünschen hat. Besser ist auf jeden Fall eine flexible Ich-Identität, in der autonome Mensch Kontakte zu allen anderen Menschen gestalten und verantworten kann – Diversität und Inklusion.

Also lasst doch einfach die überrüstete Sprache und alle Vorbilder in euren Denkgebäuden weg! Wir werden uns freuen.

Variation zum Thema: „Der dritte Mann“

Und für alle polyglotten WeltversteherInnen zum Dokuspot aus Flingern …
„High time suits after massage.“

Der Meteorologe an sich ist übergriffig

Wir wollen heute wissen, wie das Wetter morgen sein wird. Der Rat des erfahrenen Landmanns reicht uns nicht aus. Wir beanspruchen den Meteorologen, der sogar Wahrscheinlichkeiten berechnen kann. Er pflegt eine eigene Fachterminologie, will aber seine Kenntnisse für den Bürger nutzbar machen. Er übersetzt und bedient etliche Medienkanäle immer wieder neu. Informationen über das Wetter sind eine leicht verderbliche Ware. Das Wetter von Gestern ist fast schon nutzlos, wenn man nicht gerade langzeitliche Entwicklungen dokumentieren will. Meine Wetterapp zeigt kein vergangenes Wetter an. Aber selbst in die Zukunft gerichtet sind Wetterprognosen mit einem gewissen Risiko behaftet, weil eine schnell unübersehbare Vielfalt der Messdaten anfällt, die Vorhersagen für längere Zeiträume nicht besser machen, als historische Wetterregeln.

Es gibt einen gnadenlosen Wettbewerb der  Meteorologen um Kunden und um Werbekunden, die das Vehikel Wetterbericht auf dem Weg zum Kunden als Trittbrettfahrer mit nutzen.

Die Kundenbindung erfolgt schließlich über den sympathischen Wettermoderator – der meist direkt auch der fachkompetente Meteorologe ist – und sein Vermögen, den Kunden als lernbereiten Menschen in seine Denkwelten einzubinden und ihm schließlich „sein“ Wetter in Serie anzubieten. „Bleiben Sie dran!“ Er erzählt etwas über den Golfstrom, den Schwund des Polareises, die Isobaren auf der Karte, das Tiefdruckgebiet namens Norbert, das gerade das Hochdruckgebiet  namens Jutta abgelöst hat. Und dann wird es kritisch: Er redet von einem meteorologischen Sommer, den es gar nicht gibt und der von der Riege der Meteorologen nur neu eingeführt wurde, weil er sich rechentechnisch lieber am Kalendermonat als an den Jahreszeiten orientiert. Er schafft damit Futter für irrsinnig viele Journalisten, die immer mal wieder und überflüssigerweise eine Jahreszeit zweimal anfangen lassen und gebührend feiern. Dann reden die Meteorologen im System der Temperaturscala nach Kelvin, weil das der Meteorologe unter bestimmten Bedingungen so macht, man aber ebenso gut Celsius sagen könnte. Ja und dann wird der Meteorologe sprachgestalterisch aktiv und macht aus starkem Regen das Gütesiegel des Starkregens und verhunzt mit einem Anspruch auf fachmetheorologische Gültigkeit die Sprache, die er eigentlich nur von den Bürgern – dem Sprachsouverän – geborgt hat. Und jetzt wird es ganz bescheuert: Der Meteorologe führt den „heftigen Starkregen“ ein, der in jedem Deutschaufsatz zu zweifacher Beanstandung einen Anlass geben würde.

Solche Besserwissigkeiten der Wetterfachkräfte ärgern mich von mal zu mal. Man kann ehrliches Wetter nämlich ohne fragwürdige Ad-ons unter das Volk bringen. Ich führe jetzt eine schwarze Liste der übergriffigen Wetterhändler.

Aber vielleicht hat das ja alles damit zu tun, dass der Deutsche – wie mir einmal so ein Wetterhändler vermittelt hat – dazu neigt, einen Wind unter ganz bestimmten Bedingungen Durchzug zu nennen, obwohl es eben nichts anderes als Wind ist und international auch so gehandelt wird. Ich glaube, es ist so! Wenn mein englischer Besuch im Durchzug sitzt, dann werde ich nichts von Wind sagen. Ich sage dann: „You are sitting in the  through train!“ und erzähle dann the fairy tale from the weather frog …

Du kannst es Durchzug nennen.
Für mich ist es Wind.