Alles Elektro

So mancher kleine Flughafen lässt in seiner Pressearbeit Elektroflüge als Quantensprung in den Himmel schieben.

Elektroflüge? – Das ist wohl so ähnlich wie ein Elektroei, das nämlich auf dem Elektroherd gekocht wird.

Der Quantensprung hat sich allerdings aus der Atomphysik weggeschlichen. Er ist heutzutage nichts anders als die Leugnung kontinuierlicher Entwicklung.

Verbegrifflichung

• Heute: Totholz •

Nehmen wir einfach mal den Baum. 

Solange Wurzelwerk und Krone, vermittelt über den Stamm, zusammenspielen, ist der Baum ein Lebewesen. Wenn das Ende naht, naht auch die posthume Verwertung. Aus dem Baum wird meist Holz, ein nachhaltiger Rohstoff. In dem Begriff Holz ist der Tod des Baumes immer direkt mitgedacht. Man kann mit dem Holz bauen und gestalten, man kann es aber auch einfach unberührt lassen. Dann nimmt es sofort seine Rolle im Kreislauf des Lebens an- wie in einem Urwald. Erst das Eigentum des Menschen an einem Baum macht den Baum vermarktbar. Der Mensch tendiert deshalb dazu, ihn nicht achtlos sich selbst zu überlassen und auf seine Vermarktung zu verzichten, wenn er tot ist. 

Dass ein Baum tot ist, das kann man schon sagen. Totholz gibt es aber eigentlich nicht. Wenn das Holz lebt, heißt es Baum. Wenn der Baum tot ist, heißt er Holz. Dies aber auch nur deshalb, weil seine Verwertung von Alters her zur Debatte steht. Das Wort Totholz steht meist für eine gespielte Fachlichkeit dessen, der davon spricht. Man braucht es eigentlich nicht.

Es ist darüber hinaus schon lange eine Unsitte, Adjektive in Substantiven zu verbauen. Sie sind meist überflüssig, vor allem, wenn sie den Sinn des Substantivs nur verdoppeln. Sind sie einmal nicht überflüssig, hebt man ihre Bedeutung, in dem man ihnen zubilligt, als separiertes Adjektiv in Erscheinung zu treten. Man sagt dann: Der Baum ist tot. Der Baum war schön. Das Holz ist nützlich. – Kurz und bündig, aber wohl zu lang für eine Schlagzeile.

Nach dem Abzug Britischer Streitkräfte

Es gibt Orte, an denen nach dem Krieg und dann mit der Planung der NATO sich britische Soldaten und ihre Familien in eigenen Ortsteilen angesiedelt haben. Vor allem im letzten Jahrzehnt wurden viele dieser Siedlungen leergezogen und für eine künftige Verwertung an die Kommunen weitergegeben. Wenn die Presse darüber berichtet, steht in der Schlagzeile meist etwas von Britenhäusern. Es sind ja eigentlich keine Häuser, die einen besonderen Namen oder eine besondere Gestaltung haben, eben nur eine besondere Vergangenheit. Sie rotten meist vor sich hin und sind in ihrer Siedlungsanordnung auch gern Anlaufstelle für Kleinkriminelle und Neovandalen, weil die soziale Infrastruktur fehlt. In den Schlagzeilen wird aus der Erzählung dann schnell ein Britenhaus, also mit einem Substantiv belegt, das es in der Allgemeinsprache nicht gibt und das deshalb nur Leute einordnen können, die irgendwie mit diesen Häusern befasst sind.

Man darf sogar Teile der Sprache oder sogar auch ganze Sprachen neu erfinden. Das Problem dabei ist die Allgemeinverständlichkeit. Die bleibt dabei schnell auf der Strecke. Es gibt allerdings Fachsprachen, die einen begrenzten Kreis von Sprechern haben – etwa Mediziner, Juristen – und speziell für diese Nutzer besonders präzise sind um den Preis, in der Allgemeinsprache eher unverständlich zu sein. Nun kann es so sein, dass sich in einem kleinen Wohnbereich oder auch einem kleinen Bereich der Politik ein Jargon als Fachsprache etabliert, der dann allerdings eben auch in der Allgemeinsprache unverständlich bleibt. Im DWDS  – dem gültigen  deutschen Wörterbuch – ist „Britenhaus“ nicht verzeichnet. Es wird offenbar auch nur in Zeitungsüberschriften genutzt, in denen aus Platzgründen immer mal wieder geschrumpfte Begriffe ausprobiert werden und das dann wohl nur in Kommunen, die leergezogene britische Siedlungen einer neuen Nutzung zuführen wollen.

Irgendwie niveauvolle Medien nutzen solche Begriffe jedenfalls nicht.

N-Wort

Ich habe durch einen dummen Zufall mitbekommen, dass ich das N-Wort ja bereits kenne. Das hat mich überrascht. Bei dem N-Wort – so sagt man – ist es mit Androhung einer Ächtung vorgegeben, dass man es nicht gebraucht. Mittlerweile ist es so, dass mir Menschen folgen und ihrerseits danach fragen, wie das N-Wort lautet. Sie fühlen sich brüskiert und meist tief verletzt, wenn ich sage, dass das Wort so absolut tabu ist, dass ich es ihnen beim besten Willen nicht sagen kann und dass selbst eine Umschreibung nichts anderes wäre als das N-Wort selbst.

Weil ja eigentlich jedes Wort seine Bedeutung erst durch den Kontext erhält in den man es stellt, ist es per se ja so, dass es keine guten und schlechten Wörter gibt. Wenn wir verantworten, was wir sagen und die Gegenrede zur gern gesehenen Kommunikation dazu nehmen, dann kann doch eigentlich nichts schief gehen, wenn wir auf No-go-, No-speak- und No-think-areas verzichten.


Ein passendes Fundstück:
Der Thienemann Verlag und die Erben von Buchautor Michael Ende haben Jim Knopf in Text und Bild geändert. Unter anderem wurde das N-Wort gestrichen und auch die stereotypische Zeichnung von Jim Knopf mit pechschwarzer Haut und pinken Lippen wurde angepasst: „Wir sind sicher, damit ganz im Sinne von Michael Ende, der bekanntermaßen weltoffen, respektvoll und immer für die Kinder war, zu handeln“, schreibt der Verlag in seiner Pressemitteilung. Michael Ende dachte seine Geschichten um Jim Knopf und Lukas den Lokomotivführer als Gegenentwurf zu nationalsozialistischer Ideologie und Fremdenfeindlichkeit. Das N-Wort hatte er ganz bewusst nur Herrn Ärmel in den Mund gelegt, der als engstirniger Besserwisser und typischer Untertan charakterisiert wird.“

Ich bin dem Malapropismus sehr zugeneigt

Wo der Hase weht oder der Gang nach Cabanossi:
Redewendungen sind da ja stets flexibel und eignen sich hervorragend als Baukasten für allerlei lustige Zusammenstellungen. Ab und zu ist uns aber die Wirklichkeit voraus. Ich habe vor Jahren den Satz hören dürfen: „In der Erziehung ziehen meine Freundin und ich an einem Schrank!“ – Ich habe mir das sofort notiert, um das jetzt hier los zu werden.

Buenos Dias, also: Gute Lichtbilder …


Ma·la·pro·pis·mus
/Málapropismus/
Substantiv, maskulin [der] Sprachwissenschaft
[bewusst] falsche Wortwahl, bei der ein Wort durch ein phonologisch ähnliches, semantisch aber (sehr) unterschiedliches ersetzt wird „sie benutzt immer den Malapropismus »zum Bleistift« statt »zum Beispiel«“

Finale Verhöhnung

Ich halte ja sehr viel davon, wenn der sprechende Mensch sich nicht nur reproduzierend weiter entwickelt. Er sollte sicher auch durch Spracherfindungen und modifizierte Sprachverwendungen Aufmerksamkeit erarbeiten – solange er im Sinn hat, sich irgendwie verständlich zu machen. Ist der innovative Sprachgebrauch erst einmal hörbar verständlich, ist er für den allgemeinen Sprachgebrauch freigegeben. Eine (kulturelle) Aneignung gibt es im Sprachgebrauch per se nicht, sonst gäbe es ja ein Patent für ein Wort und wir würden fortan stumm agieren.

Es bedarf allerdings einer gewissen Aufmerksamkeit, wenn scheinbare Sprachinnovationen werbewirksam vermittelt durch Massenmedien von oben in den Sprachmarkt gedrückt werden. Dadurch werden Sprachentwicklungen scheinbar und mit autoritärer Absicht umgangen. Dagegen sollte man sich wehren.

Ein Beispiel:
Der Plural von Finale lautet Finale. Daran kann man sinnvollerweise nicht rütteln. Jetzt gibt es „Die Finals“, eine publikumsnah ausgerichtete Sportveranstaltung, bei der – medial gewollt und gefördert – in einem kurzen Zeitraum die deutschen Meisterschaften sehr vieler unterschiedlicher Sportarten in der Öffentlichkeit stattfinden, also tatsächlich dort, wo die Menschen eh schon sind. Diese Veranstaltungsform finde ich gut und längst überfällig. Dass es nicht „Die Finale“ heißt, ist aber nicht begründet. Es liegt wohl daran, dass sich Werbetexter nur noch in der englischen Sprache wohlfühlen. Damit disqualifizieren sie sich aber für ihren Job und verkaufen ihren mutmaßlich naiven Auftraggebern, dass es so sein müsste. Ich kann beim besten Willen keine Innovation in „Die Finals“ ausmachen, bestenfalls eine arroganter Verhöhnung des Publikums, gleichgültig, ob man den deutschen oder den englischen Zungenschlag verwendet.

Getoppt!

Der Experte ist ja dadurch definiert, dass er – was seine Expertise betrifft – stets recht hat.

So behauptet ein Experte immer wieder gegen die Aussagen anderer, eine Leuchte sei ein Gestell, in dem eine Lampe für Licht sorgen kann. Seine Widersacher sehen es andersrum. Seine Eindeutigkeit und Verbindlichkeit ist allerdings nur darin begründet, dass der Experte stets recht haben soll. Das gehört zur konventionellen Weltdeutung, bleibt aber trotzdem unbegründet.

Der allgemeine Sprachgebrauch weist zahlreiche Unschärfen auf. Da geht es wild durcheinander. Die Sprache transportiert so viel Kontext, dass zum Schluss eine Verständigung meist auch bei einem Missverständnis gelingt. Alles andere wäre menschenfeindlich erstarrt und würde die Entwicklung der Sprache stagnieren lassen.

Allerdings haben sich Fachsprachen für den Arbeitsalltag von Experten herausgebildet, um die fachspezifischen Dinge verbindlich abzusprechen und dem Palaver zielgerichtet zu entgehen. Ob es nun die Fachsprache der Mediziner, der Historiker oder, bestimmter Handwerker ist, sie ist stets hilfreich. Wenn nun bestimmte Teile einer Fachsprache in die Allgemeinsprache schwappen, dann stecken meist autoritäre Charaktere dahinter, die die Randunschärfe der Allgemeinsprache nicht so recht ertragen können oder wahre Missionare, die bisweilen ganze Systeme von Schlüsselwörtern als Bestandteile von Ideologien neu zurechtdeuten.

Also: Im Alltag ist es unbedeutend, wenn man Leuchte und Lampe synonym oder anders verwendet. Der Witz dabei: Bevor der Experte über das richtige Wort den Streit vom Zaun bricht, hat es ja eigentlich schon eine Verständigung gegeben. Was will man mehr?

Deutungshoheit

Von der Satirepartei „Die Partei“ wurde argumentiert, dass hinter „Nazis töten.“ ein Punkt und kein Ausrufezeichen stehe und es daher keine Aufforderung sein könne. Sie hatte damit ihre Wahlwerbung pointiert.

Es geht ja eigentlich um eine Zweideutigkeit, die man für den mündigen Bürger bestenfalls ja auch ohne Anweisung ausliefert. Der Streit darüber befeuert nur die Absicht, solche Zweideutigkeiten bloß nicht aufzugeben. Im direkten Gespräch wäre die Zweideutigkeit schnell weg, weil man sich dann notgedrungen zu einer Variante bekennt. 

Schade! – Insofern ist es das Optimum, wenn man dem Zweiwortsatz auch noch den Punkt wegnimmt.

Der LKW

Wenn es um den LKW geht, werden wir oft belehrt, vor allem, wenn es um den Plural geht. — Ich will das nicht und es ist meist auch falsch.

LKW ist eine Kurzform eines anderen Wortes und ist als Akronym sogar auch ohne Vokal sprechbar. Solche Kurzformen sind eigenständige Wörter. Die Pluralendung kann in solchen Fällen vom Langwort übernommen werden oder aber neu gebildet werden. Dazu findet man in der Allgemeinsprache Vorbilder, die sich auch verständlich anhören. Am beliebtesten ist das angehängte s. Die Anfügung des s lässt sich also kaum vermeiden und gilt in diesem Fall regelgerecht als Plural 2. In dem Umfang, wie das Kurzwort praktischerweise das Langwort verdrängt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Plural 1 nicht mehr gebraucht wird.

SingularPlural 1Plural 2
Nominativder Lkwdie Lkwdie Lkws
Genitivdes Lkw des Lkwsder Lkwder Lkws
Dativdem Lkwden Lkwden Lkws
Akkusativden Lkwdie Lkwdie Lkws