Liebe Alliteraten

Vom Besserwisser: Von palen und pulen

Um es zu Spoilern: Das Palen gehört zur Hausmannskost wie das Pulen zur gehobenen Speisezubereitung gehört. Beide Begriffe gehören unmittelbar zusammen und bezeichnen in der Fachsprache der Köche aber ganz unterschiedliche Arbeiten am gleichen Objekt.

Ich bin Besserwisser. Deshalb greife ich auch zu gern zu Fachsprachen. Im Alltag ist es einerlei, wenn ich am Ende verstanden werde. In der Fachsprache sind damit Katastrophen vorprogrammiert.

Wenn also der Profikoch beispielsweise frische Dicke Bohnen – auch Saubohnen genannt – bekommt, dann holt er die Bohnen zunächst aus der dickfleischigen Hülse und nennt das palen. Danach werden die Bohnen blanchiert, um sie vor der Weiterverarbeitung einfach von ihrer umgebenden dünnen Haut zu befreien. Das nennt man pulen. Dieser Arbeitsgang entfällt üblicherweise bei der hausmannskostgemäßen Verarbeitung.

Ich schreibe das alles nur, weil unlängst eine geachtete Köchin, die oft auch im Fernsehen ihre Kunst mit der dazugehörigen Fachsprache dem Publikum nahe bringt, folgendes gemacht hat. Sie hat tatsächlich das Pulen als Palen bezeichnet. — Das weiß ich erheblich besser!

Ich weiß auch noch etwas anderes besser: Viele, auch mit Sternen dekorierte Köche, erklären dem Laien immer wieder, wie und warum man blanchiert. Sie sagen aber nicht blanchiert, sondern wählen eine weitaus weichere Aussprache rings um das ch, die etwas an ein rauschendes g erinnert. Das klingt stets ziemlich drollig und wenig souverän. Wir wissen ja alle, dass der sehr gute Koch auch sehr gut französisch spricht, weil seine Fachsprache, im Französischen einen wesentlichen Ursprung hat. Ich rate ihm, wenn das mit der französischen Sprache nicht klappt, statt dessen „kurz im Wasser erhitzen“ zu sagen und damit einen neuen Fachsprachstandard einzuführen.

Es hagelt

Hat der „Kleinkornhagel“ etwas mit dem „heftigen Starkregen“ und mit dem „meteorologischen Sommeranfang“ zu tun? – Ich glaube eher, die Sippe der Meteorologen gräbt gerade den Menschen mit ihrem Pseudofachwording die Sprache und das dazugehörige Denken ab.

Moment mal!

In deutschen Nachrichtensendung gibt es Tag für Tag das eine und das andere Momentum. Nun ist ja so ein Momentum immer das eine, das andere oder noch etwas anderes. Deshalb eignet sich das Momentum immer dann, wenn man die aktuellsten Nachrichten auf Halde vorproduziert. Der Satz mit dem Momentum passt da stets gut rein und kann eigentlich nie so richtig falsch sein. Dass die Präzision der Nachrichten dabei auf der Strecke bleibt, das stört niemanden, so lange nett gesprochen und freundlich geguckt wird. – Der Joker sticht!

Sag mal was!

Es gibt in den Sozialen Medien viele selbstautorisierte Richtigsprecher. Die stellen dann Fragen nach dem Muster: Wie spricht man X (zum Beispiel Gnocci) richtig aus? Diesen cancelfreudigen Volkserziehern sage ich  immer wieder und unermüdlich gern:

Es gibt sprachlich weder richtig noch falsch – lediglich mehr oder weniger bis gar nicht verstanden werden. Die Sprache dient allen sprechenden Menschen, gleichgültig, wie oder was sie sprechen. Merke: Jede Kommunikation beinhaltet einen gehörigen Anteil von Missverständnis. Das ist der Normalfall des Sprechens und ein Geschenk, also ein willkommener Anlass zum Gespräch und damit zur Verständigung.

Zur Persönlichkeit von Telefoniergeräten

Meine Geräte, die sich zum telefonieren eignen, heißen jetzt
Moshi Moshi I bis VI.

Spoiler: Moshi Moshi = Hallo (auf japanisch)

Seit der Nacht regnet es immerzu Bindfäden

Mein Handy zeigt unzählige Warnmeldungen. 

Mitten in die Schöpfungsgeschichte kam der Regen. Seitdem ist er Auslöser von blühenden Landschaften und Wachstum oder aber auch Auslöser von unbeherrschbaren Sintfluten.

Er heißt Regen und wird in der Regel mittels Adjektiven, entsprechend den Launen der Natur spezifiziert. Regen kann eben mal so und mal anders sein.

Redet man also von starkem Regen, dann weiß man in etwa Bescheid.

Die Redefinition des Sagbaren drängt sich aber in den Vordergrund des Zeitgeistes, ohne dass es eine entsprechende Sprachentwicklung im Kreis der Sprechenden gibt. Es gibt nämlich Fachsprachen, die in ihrem Claim gelten, aber gern ausgesandt werden, um den allgemeinen Sprachgebrauch zu normieren, also vorzuschreiben. So sagen die Wetterfrösche in den Medien nicht nur, dass es plötzlich einen „meteorologischen Beginn der Jahreszeiten“ geben soll (was nicht so ist), sondern auch, dass sich ein „Starkregen“ breit macht. Der Starkregen löst nun sukzessive den Regen ab, wenn man über ihn spricht. Das sieht man daran, dass die Leute aus dem Claim nun den „heftigen Starkregen“ auf der Wetterkarte nachschieben. Jetzt warten wir alle darauf, dass der Heftigstarkregen vom Himmel fällt und wir frei sind, neue wahre Synonymorgien dem Regen hinzu zu fügen, ohne dass damit mehr gewonnen wäre als eine grandiose Auffächerung von Unbedeutendem. Die Alltagstauglichkeit der Sprache bleibt auf der Strecke. Aber wir können ja auf andere Sprachen ausweichen, die uns besser gefallen bis Katzen und Hunde vom Himmel purzeln.

Der Boden im Keller hat wohl unbemerkt in der Nacht ein Liter zurückgestauten Regenwassers beherbergt. Das ist kein großes Ding. Mangels eines Regenrückhaltebeckens in der Umgebung war der Keller so vor 30 Jahren bei vergleichbaren Regenfällen nur noch mit Gummistiefeln zu betreten. Damals hatte ich nicht einmal Warnmeldungen auf dem Handy – ich hatte ja keins.

Der Himmel lockert auf. Um es verständlich zu machen: Lockerhimmel folgt Starkregen.

Das Stammelarium

Der Kanzler Merz pflegt eine Stammelkultur, offenbar ein selbst ausgewähltes Timing zur Aneinanderreihung von Worten, die einmal einen vollständigen Satz ergaben.

Ich erlebe es als Zumutung, wenn er jedes Satzbestandteil in ein eigenes Zeitkontinuum einbettet, so als sei jedes Wort ganz besonders zu wattieren und mithin ganz besonders wertvoll.

Ich werde ihm ab sofort nicht mehr zuhören, weil dieser unbestellte Beachtungsbooster respektlos die Welt der Sprechenden und Hörenden besiedelt und mir die Zeit raubt. Da höre ich doch viel lieber Menschen, die etwas zu sagen haben und mit Leidenschaft auch so vortragen.

So gesehen: Ich gehe sehr gern in jedes Theater — Merz muss weg.

Der Name schallt und raucht

Der Name ist wichtig. Der Name ist das, was einem meist bleibt, auch wenn alles verloren ist.

Aber wie spricht man einen bestimmten Namen richtig aus? Damit beschäftigen sich Diplomaten und sprechende Journalisten tagtäglich, nutzen dazu etliche Hilfsmittel und haben doch stets schlechte Ergebnisse, die noch schlechter werden, wenn Namen aus entfernten Kulturen kommen.

Das kann man ihnen nicht vorwerfen. Selbst im ganz normalen Alltag verzweifeln wir selbst an den Namen von Mitbürger, die nicht gerade Müller oder Zimmermann heißen.

Diplomaten haben es vergleichsweise sehr einfach. Jedem Land gegenüber sagen sie kritiklos das, was das jeweilige Land als richtig vorgibt. Und das gilt für alle Diplomaten dieser Welt. Das hat eine Tradition, aber auch so seltsame Effekte, dass zum Beispiel Burma – auf deutsch Birma -, das schon lange außerhalb demokratischer Verhältnisse sich in Myanmar umbenannt hat. Sinnloserweise funktioniert die Diplomatensprache als Referenz, als ob sie ein Siegel für Seriosität eingebaut hätte. 

Selbst der Sportreporter, der ja stets mit unzähligen Namen jongliert, hat die Grundidee noch nicht aufgegeben, dass Namen richtig und nicht falsch ausgesprochen werden dürfen. Sie nutzen also den UEFA-Leitfaden und andere lange Listen, die vermeintlich zeigen, wie beispielsweise die Fußballspielerin Stina Blackstenius richtig ausgesprochen wird. Sie spielt in der englischen Liga und in der schwedischen Nationalmannschaft. Der deutsche Reporter nennt sie aber – wie seine britischen Kollegen – Bläckstenius. Selbst der Schwede sagt  aber Blackstenius. Mit der niederländischen Spielerin Chasidy Grant ist es nicht anders. In der englischen Liga wird sie „Gränt“ genannt, obwohl es niederländisch Grant heißt. Deutsche Reporter lernen fälschlicherweise gern von Engländern. Der deutsche Fußballer „Eel-kai Gun-do-wan“ kommt in einem Verzeichnis einfacher Sprache für Journalisten ja noch relativ gut davon.

Ich habe es im Umgang mit Freunden aus anderen Kulturen und mit fremden Namen selbst festgestellt: Es ist ein unmögliches Unterfangen, jeden Namen im vermeintlichen Originalton nachzubilden. Selbst bei kurzen Namen, bewirkt die Betonung einer der anderen Silben Unverständnis oder gar eine Bedeutungsverschiebung. Manch einer meint, er könne die Namenbestandteile des Pianisten Lang Lang unbemerkt vertauschen. Dabei liegt er sogar bereits mit seinem Ansinnen falsch, wenn er nichts vertauscht.

Für den Medienkonsument wäre es ja wichtiger, eine Orientierung zu erfahren, anstatt Namen, die verständlich unverständlich in die Irre führe.

Ich bin ja fest der Ansicht, dass es richtig und falsch überhaupt nicht gibt, wenn es um den sprachgrenzüberschreitende Namennutzung geht. Es zählt allein eine Information, die dem Konsumenten in seiner Sprache eine Wiedererkennbarkeit der Namensträgerin ermöglicht. Dazu braucht man in den Sprachräumen dieser Welt die Fähigkeit, die Sprache der Nativspeaker auszunutzen und ein für alle mal, das unsinnige Unterfangen abzubrechen, richtige Namen zu produzieren. Also man liest einfach nur das, was da steht in der Sprache, in der gesprochen wird – irgendwelche Verhaspelungen eingeschlossen. Es bleibt also der schwere Vorwurf an alle Journalisten und Diplomaten, dass sie den Ausstieg aus dem Richtig-falsch-Denken auf deibelkommraus verschleppen. Übrigens ist die französische Partei „Ressemblement National“ die nationale Sammlungsbewegung. Man kann den Namen sicher auch zitieren. Aber auf keinen Fall als „der“ Rassemblement National. Beim Baguette denken wir gottzeidank anders: „Der Baguette“ würde wohl niemand zu sagen wagen.

Um es beispielhaft zusammen zu fassen: Über viele Jahre wohnte ich in Hoisten, mittlerweile ein Stadtteil von Neuss. Die Einheimischen sagen Hoosten – also mit langem O, während alle Welt Ho-isten sagt. Das sprechzentrale i ist ein Dehnungs-i. Das kann man sprachhistorisch erklären, aber solche Erklärungen sind kein Gemeingut. Beides ist also irgendwie richtig. Man erkennt aber sofort den harten Nativspeaker.

Ein kleiner Nachtrag: Ein Sportmoderator behauptete anlässlich der diesjährigen Fußballeuropameisterschaften der Frauen, dass der Name der norwegischen Nationalspielerin Ada Hegerberg in der Aussprache sein g verliert. Das habe er so bei norwegischen Kollegen gehört – also He–erberg. Ich habe es mal für die norwegische Hauptsprache Bokmal überprüft: Das g wird gesprochen, warum auch nicht?

Trotzdem hat sich die veränderte Aussprache in Windeseile im deutschen Sportjournalismus verbreitet. Dabei hatte die Spielerin seit ewigen Zeiten auf Hegerberg gehört und sie wurde auch so genannt. Der besserwisserische Individualstil diverser Reporter kann ganz schlimme Identitätskrisen auslösen. Wenn du alles verlierst, dann bleibt dir nur dein Name – bisher!

Mein Schnaker

Ein Cutter, der Medienmaterial zusammenschnibbelt,  ist ein Schneider. Aber ein Schneider ist kein Cutter. Deshalb muss man für den einen Schneider einen anderen Namen finden, wenn man nicht Mehrdeutigkeiten mit unvermeidbaren Missverständnissen produzieren will. Weil der Weltmarkt der Sprachen aus Gründen sehr stark englisch geprägt ist, adoptiert man deshalb gern den Cutter. Tailor heißt der Schneider auf Englisch. Das wäre ja auch in Frage gekommen. Da wäre mir dann aber der französische Tailleur sehr viel lieber. Couturière – die französische Schneiderin käme auch in Frage. Sie heißt völlig anders als ihr männlicher Kollege, weil das Schneiderhandwerk für Männerkleidung und Frauenkleidung sehr stark separiert waren und auch sehr stark geschlechtsspezifisch ausgeübt wurden. Ich kann es mir den Begriff aber nicht aussuchen und mich würde gegebenenfalls auch niemand berstehen. Wenn ich es mir aber tatsächlich aussuchen könnte, nähme ich Schnaker – weil der Schneider (Vorsicht: Teekesselchen) auch den Namen Schnake hat.