Der WDR ist auf Hymne

Der WDR legt ja sehr viel Wert auf den Kontakt zu den Hörern und Schauern, also zum Konsumenten. Deshalb nutzt er ja auch die sozialen Medien, um dort immer wieder Fragen zu stellen, die mutmaßlich jedem eine Antwort erlauben. Das ist die hohe Schule der Kundenbindung.

Dummerweise sind das stets Fragen, deren mögliche Antworten die Welt nicht braucht.

Ich nenne ein Beispiel:

Unter dem Eindruck der Anschläge von Paris wird die Frage gestellt, ob man denn nicht vor dem nächsten Länderspiel gegen die Niederlande die Europahymne spielen sollte. Das erfährt in den Konsumentenkreisen natürlich viel Zuspruch und erlaubt jedem, noch einen persönlichen Akzent zu setzen. Manche wollen die französische Hymne hören, andere die Europahymne und dann die französische Hymne, wieder andere wollen neben diesen beiden Hymnen auch noch die deutsche und die niederländische Hymne hören, und noch ganz andere wollen die libanesische, die syrische, die eritreische, die afghanische und die nepalesische Hymne hören. Eigentlich gibt es keine Hymne, die explizit ausgeschlossen wird und es gibt unzählig viele unterschiedliche Arrangementvorschläge.

Der Erkenntnisgewinn der Frageaktion ist minimal. Der WDR sollte dem Fußballspiel ein mehrtägiges Konzert vorschalten. Aber was die Konsumenten wirklich wollen, das weiß man dort immer noch nicht.

Neonazis machen ihr Ding, auch wenn der WDR nicht berichtet

Der WDR In Dortmund berichtet nicht über den Angriff von Neonazis auf ein im Bau befindliches Flüchtlingsheim. Man möchte den Tätern die öffentliche Beachtung verweigern und stuft sie als krank mit einer „erheblichen paranoiden Persönlichkeitsstörung“ ein.

Damit sind zwei journalisische Grundentscheidungen getroffen worden, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen.

1

Das, was man nicht mag, ausgrenzend als krank zu stempeln ist die Praxis totalitärer Herrschaftssysteme, die ebenfalls gern ganz außerhalb einer fachlichen Würdigung die Diagnose bestimmen. Die jüngere deutsche Geschichte ist voll davon. Kopiert hier der WDR ideologisch die Vereinnahmung der Psychiatrie durch die Nazis? Was wäre denn nun, wenn ganz echte Nazis ohne jede Einschränkung ihrer Schuldfähigkeit das potentielle Flüchtlingsheim zerlegt haben? Man muss auch damit rechnen.
Hinzu kommt, dass die Kategorie Flüchtlingsheim eine Erfindung einer hilflos sparsamen Politik ist, die die Flüchtlinge mit minimalem Aufwand aufs Wartegleis schieben will. Die Erfahrung zeigt, dass in diesen Heimen eine Förderung der Flüchtlinge und ein alltäglicher Umgang mit Ihnen nahezu unmöglich ist. Ihnen sollten auch aus Kostengründen ohne Begrenzung frei finanzierte Wohnungen und adäquate Hilfen offen stehen. Um das zu vermitteln, muss man selbstverständlich kein Gebäude schreddern.

2

Die Presse kann ihrer allgemeinen Informationspflicht nicht ausweichen, im öffentlich-rechtliche Zusammenhang des WDR darf sie das auch nicht. Die Auswahl der Themen ist im Wesentlichen nicht beliebig. In allen Krisenherden der Welt wird unvermeidlich die Presse ganz nebenbei zum Sprachrohr verabscheuenswürdiger Gewalttäter und verbreiten deren Ideologie gleich mit. Sie infizieren damit nicht den Bürger als Mediennutzer, der sich mediengestützt die Welt aneignet, sondern liefern ihm das Material, was er dazu braucht. Entscheidungen trifft also der Mediennutzer selbst. Es ist genauso eine Anmaßung, Ereignisse zu übersehen, wie sie zu erfinden. Auch wenn man sich vieles appetitlicher vorstellen würde, die gute Presse kocht eben nicht selbst.
Am Beispiel „Pegida“ haben wir gesehen, dass die Presse auch ziemlich nichtssagenden, aber bezeichnenden Initiativen zur öffentlichen Beachtung verhilft. Die Gegendemos haben diese Beachtung  noch einmal gesteigert, bis der Spuk, wie vorausgesagt, kollabiert ist. Niemand ist auf die Idee gekommen, das Ganze durch Nichtbeachtung in der Presse abzukürzen. Das wäre auch nicht lehrreich gewesen.