Mich interessieren immer schon urbane Lebensräume abseits vom Mainstream. Dazu gehören auch Friedhöfe. Sie entwickeln sich derzeit zu Parklandschaften, weil die Möglichkeiten der Beerdigung abseits von Traditionen vielfältiger geworden sind und die Nachfrage nach herkömmlichen Gräbern abnimmt. Nachdem in zurückliegenden Jahrhunderten Gräber die vermeintliche Bedeutung der Verstorbenen spiegelten und oft prunkvoll künstlerisch und architektonisch ausgestaltet waren, haben sich zwischenzeitlich in standardisierter Form das Einzelgrab und das kleine Familiengrab etabliert. Damit waren die Friedhöfe gut ausgelastet, während alte Prunkgräber nach und nach baufällig und dann meist eingeebnet wurden, auch wenn sie vielleicht als überdauerndes Denkmal getaugt hätten. Gerade für diese Prunkgräber war – und ist – der Wille des Verstorbenen meist nebensächlich. Den Nachkommen ist der Prunk schon eher wichtig, wenn sie überhaupt ein nachhaltiges Interesse an den verstorbenen Verwandten haben. Mittlerweile gibt es auf Friedhöfen meist einen gepflegten Bestand an Bäumen, Büschen und Beetpflanzen. Der Friedhof wandelt sich zudem vom Ort der Andacht und Rücksichtnahme zum Ort der Naherholung und des Freizeitvergnügens. Radfahrer, die auf dem Friedhof den Weg freiklingeln gibt es häufig. Viele Friedhöfe gestatten versteckt den Autoweg zum Grab, so dass nicht nur gehandicapte Friedhofsbesucher – gern auch in Wagenkolonnen – zum Grab fahren.
Die meist kommunalen Friedhofsbetreiber müssen sich etwas einfallen lassen, um mit den Grabkosten auch die Kosten des ganzen Friedhofsgeländes klein zu halten. Dazu gehören trendige Grabformen, die aber meist viel weniger Platz beanspruchen und damit pflegeleichter sind, als herkömmliche Gräber, in denen ein Sarg vergraben wird. Dadurch ändern sich die Friedhöfe komplett. Beerdigungsformen, also beispielsweise die Seebestattung oder die Verstreuung der Asche des Verstorbenen auf einer nach Koordinaten bestimmten Schweizer Bergwiese, bleiben herkömmlichen Friedhöfen verwehrt.
Der Friedhof Rheydt – von mir aus in wenigen Minuten zu erreichen – ist ein zum Park gewandelter Friedhof mit nach und nach nur noch vereinzelten Gräbern und einzelnen sehenswerten Grabprojekten und Friedhofsgärtnerprüfungsgräbern. Allein die hügelige Landschaftsgestaltung und Bepflanzung unter alten Bäumen ist bemerkenswert und vermittelt an Sonnentagen geradezu eine euphorisierende Stimmung zwischen Himmel und Erde, ohne dass die Gräber überhaupt ins Gewicht fallen. Zwei Grabprojekte sind allerdings bemerkenswert: Es gibt eine Mottoanlage, die den Fußballverein Borussia Mönchengladbach hervorhebt, und in der – so hat es den Anschein – hauptsächlich verstorbene Borussenfans begraben sind.
Und es gibt eine mittlerweile weitläufige Anlage mit im Stil und im Bauaufwand abgehobenen Grabgestaltungen. Dort sind Verstorbene der Roma, Kalderasch, Manuouches, Kalé, Sinti, Gitanos, Ashkali und andere beerdigt, die aber trotz eines ortsungebundenen Lebens – das sieht man den Gräbern an – feste heimatliche räumliche Bezugspunkte in der weiteren Umgegend bevorzugt haben. Diese Gräber sind riesengroß, teilweise sind es sogar verschließbare Häuser, in denen auf dem Marmor oft auch der Verstorbene in Lebensgröße dargestellt ist. Einige Gräber sind dort immer im Bau und es ähnelt dann dort einer Neubausiedlung mit Absperrungen, in der die Bauhandwerker Beton gießen, Fenster einbauen und alles nach und nach in glänzendem Marmor erstrahlen lassen. Ich bin am Ostermontag (AD 2025) einmal über den Friedhof in Rheydt gegangen und habe dabei fotografiert. Mein einführender Text erübrigt es, dass ich die Bilder kommentiere.
Ein Bild muss ich dann aber doch kommentieren, das ich zum Thema eines demokratischen Sprachgebrauchs schon oft zitiert habe: Da ist – wie man lesen kann – ein „Zigeunerkommissar“ beerdigt. Daran merkt man, dass im Alltag (des Friedhofes) die Alltagssprache dominiert und sich nicht von politischen Forderungen – etwa des Dachverbandes der Sinti und Roma – dominieren lässt. Deren Cancel-Culture-Vortrag folgt meist eine medial gestützte Vorgabe, was beleidigt und deshalb nicht mehr gesagt werden sollte. Dagegen ist die Alltagssprache hoffentlich noch lange unempfindlich und beinhaltet das, was die Menschen kollektiv so sagen. Eine Familie, die stolz das Wort Zigeuner im Schilde führt, macht sprachlich eine ganze Menge richtig und regt an, einmal darüber nachzudenke.
• Zum Motiv des letzten Bildes (64) hat sich ja jemand etwas wirre Gedanken gemacht.
„Halten Sie Abstand vom Gerät!
Kinder müssen beaufsichtigt werden!
Eltern haften für ihre Kinder!
Ich bin ein Husqvarna Automower® und sorge hier für eine dauerhaft schöne Rasenfläche. Dabei arbeite ich leise, hinterlasse keine schädlichen Emissionen und bin bis zu 24 Stunden täglich aktiv, ganz unabhängig von der Wetterlage. Schau mir gerne zu und genieße wie ich arbeite, aber störe mich nicht dabei!“
Auch wenn man es immer wieder so liest: Eltern haften nicht für ihre Kinder! Niemals! Niemand haftet nach deutschem Recht für jemanden anderen. Wenn die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzen, dann trifft das zwar auch ihre Kinder, die Haftung betrifft aber nur das, was die Eltern selbst machen oder unterlassen. Sie haften dann möglicherweise im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht.
Es ist doch etwas spooky, wenn auf einem Friedhof der Rasenmäher den Besucher anspricht. Er ist ja zudem automatisch. Also werden ihm hier Worte in den Mund gelegt. Das könnte doch sehr viel besser der Mensch beschreiben, der den Roboter einsetzt. Dann bekäme der Friedhof auch ein Gesicht von vielen.

































































