Der Kohl gibt sich der Züchtungsfreude der Menschen hin. Dabei sind die Wünsche der Menschen so dominant, dass die Kohlkonsorten sich in ihr Schicksal fügen. Während Weißkohl und Rotkohl ihre Zusammengehörigkeit nicht leugnen können, sind Kohlrabi, Rosenkohl, Broccoli und Blumenkohl sehr extravagant aus der Art geschlagen – optisch und geschmacklich, wobei der Romanescu an dem einen oder anderen noch etwas Anklang nimmt. Was früher den einen oder anderen Kohl geschmacklich ausmachte und meist bei der Zubereitung Auswirkungen hatte, hat keine Bedeutung mehr. Es wird berichtet, dass der Grünkohl erst geerntet werden durfte, wenn er wenigstens einmal gefroren war. Das gilt nun, dank der Züchtigungsmannipulationen nicht mehr. Der Mensch zeigt – warum auch immer – die Tendenz, die Besonderheiten im Geschmack und in der Konsistenz abzumildern, bis das Gewächs kaum noch Eigenarten hat, damit man bei der Essenszubereitung alle Register ziehen kann, der Pflanze den eigenen Geschmack aufzuzwingen. Das Bittere und das Scharfe sind schon weg, wenn man im Gemüseladen die Auswahl trifft. Eine nur vermutete Restschärfe im Produkt führt zur Ertränkung mit Sahne und Hitze im Kochtopf. Vorbild für alle Gemüsesorten sind in dieser Hinsicht Pflanzen wie die Zucchini, die im Doppelsinn äußerst geschmacklos sind, damit der Koch damit jeden Geschmack bastel kann, den er gerade so haben will. Damit sind wir ja ganz nahe an die Industrieküche und ihre Convenienceprodukte herangerückt: Man sucht nach billigen Produkten mit guten Namen als anerkannten Magenfüller, nutzt den Chemiebaukasten zur Konsistenzsteuerung, sucht Lücken, um Überproduktionen von Zucker und Fett einzubauen und lädt aus dem Internet die exakten Geschmacksvorlieben der Zielgruppe, um das Gericht so zu finishen, dass sich die Sache totsicher verkaufen lässt. Wenn der Abnehmer auch noch etwas gesunde Knackigkeit will, gibt es noch ein Schüsselchen Eisbergsalat, die inhaltsleere, geschmacklose und pflegeleichte Allzweckwaffe mit verdünntem Conveniencedressing.


