Seit der Nacht regnet es immerzu Bindfäden

Mein Handy zeigt unzählige Warnmeldungen. 

Mitten in die Schöpfungsgeschichte kam der Regen. Seitdem ist er Auslöser von blühenden Landschaften und Wachstum oder aber auch Auslöser von unbeherrschbaren Sintfluten.

Er heißt Regen und wird in der Regel mittels Adjektiven, entsprechend den Launen der Natur spezifiziert. Regen kann eben mal so und mal anders sein.

Redet man also von starkem Regen, dann weiß man in etwa Bescheid.

Die Redefinition des Sagbaren drängt sich aber in den Vordergrund des Zeitgeistes, ohne dass es eine entsprechende Sprachentwicklung im Kreis der Sprechenden gibt. Es gibt nämlich Fachsprachen, die in ihrem Claim gelten, aber gern ausgesandt werden, um den allgemeinen Sprachgebrauch zu normieren, also vorzuschreiben. So sagen die Wetterfrösche in den Medien nicht nur, dass es plötzlich einen „meteorologischen Beginn der Jahreszeiten“ geben soll (was nicht so ist), sondern auch, dass sich ein „Starkregen“ breit macht. Der Starkregen löst nun sukzessive den Regen ab, wenn man über ihn spricht. Das sieht man daran, dass die Leute aus dem Claim nun den „heftigen Starkregen“ auf der Wetterkarte nachschieben. Jetzt warten wir alle darauf, dass der Heftigstarkregen vom Himmel fällt und wir frei sind, neue wahre Synonymorgien dem Regen hinzu zu fügen, ohne dass damit mehr gewonnen wäre als eine grandiose Auffächerung von Unbedeutendem. Die Alltagstauglichkeit der Sprache bleibt auf der Strecke. Aber wir können ja auf andere Sprachen ausweichen, die uns besser gefallen bis Katzen und Hunde vom Himmel purzeln.

Der Boden im Keller hat wohl unbemerkt in der Nacht ein Liter zurückgestauten Regenwassers beherbergt. Das ist kein großes Ding. Mangels eines Regenrückhaltebeckens in der Umgebung war der Keller so vor 30 Jahren bei vergleichbaren Regenfällen nur noch mit Gummistiefeln zu betreten. Damals hatte ich nicht einmal Warnmeldungen auf dem Handy – ich hatte ja keins.

Der Himmel lockert auf. Um es verständlich zu machen: Lockerhimmel folgt Starkregen.