Gotteshaus auf der Fußmatte?

Stell dir einmal vor, du könntest nach deinen Vorlieben die Angebote im Einzelhandel weltweit reduzieren. Das würde dir das Leben vereinfachen und du wüsstest plötzlich nicht mehr so recht, wo der gute und der schlechte Geschmack geblieben sind, nachdem du die Maßstäbe verschoben hast.

Stell dir weiterhin vor, deine Nachbarn und schließlich alle anderen Menschen auf der Welt könnten das dann auch. Dann gäbe es plötzlich wahrscheinlich nur noch ein paar unentbehrliche Gegenstände, die in ihrem Massengeschmack unansehnlich sind.

Jetzt gibt es einen Streit darüber, ob das Einrichtungshaus POCO – es arbeitet eher mit einem preiswerten Sortiment – eine Fußmatte namens Istanbul anbieten soll, die eine Moschee zeigt. Zahlreiche Menschen muslimischen Glaubens nähren nun eine Kampagne, die das Einrichtungshaus bewegen soll, diese Matte aus dem Sortiment zu nehmen.

Es ist von Skandal, Respektlosigkeit, Beleidigung und Islamophobie die Rede. Bei dem Anbieter liest man dies.

Im Internet kursierten Hinweise wie dieser:Poco

Das erinnert etwas an eine Kampagne gegen die Drogeriekette DM. Jetzt ist also POCO dran, und die Kampagnen ähneln sich sehr.

Mir gefällt diese Fußmatte auf keinen Fall. Aber das steht  auch nicht zur Debatte. Es geht um grundlegende Freiheitsrechte. Die beinhalten selbstverständlich auch das Recht zur Geschmacklosigkeit. Alle Religionen müssen damit leben, dass sie zum Gegenstand von Kritik, ironischer Überhöhung und jeder Form von Gegenrede gemacht werden. Bei der Fußmatte „Istanbul“, die eine Moschee zeigt – und diese Matten sind überall im Angebote – geht es aber noch nicht einmal darum. Da hat lediglich jemand gemeint, eine Marktlücke gefunden zu haben. Blasphemie erkenne ich nicht im Ansatz.

Und dennoch wird in den Sozialen Netzen eine Kampagne los getreten, in der eher aufgeklärte Moslems als Scheißdreck oder Hure tituliert werden und ihnen der baldige Tod vorausgesagt wird. Die Firma POCO gewährleistet verständlicherweise kein Forum für Störenfriede. Deshalb findet die Kampagne an anderen Stellen statt. Respekt vor dem Grundgesetz kommt darin nicht vor. Allerdings verbreitet sich ein Angst vor Allah. Den seltenen christlichen Mitdiskutanten wird vorgeschlagen, sich doch einstweilig sexuell den widersprechenden Moslems zuzuwenden.

Es herrschen also ganz in unserer Nähe eine üble Geschmacklosigkeit und eine Intoleranz, die selbst vor den Grundrechten respektlos ist und abseits der großen Themen unserer Welt Streitereien vom Zaun bricht – für was eigentlich?


Ein kleiner Nachtrag im November 2017:

„Was würdest du denn tun, wenn jemand auf einer Fußmatte eine christliche Kirche zeigt?“ ist eine Frage, die ich in dem Zusammenhang immer wieder höre.

Ich habe dann letztens in einen Hausflur eine wohl intensiv genutzte Fußmatte mit der Silhouette des Kölner Doms gesehen.

Und ich muss sagen: Mich hat das in keiner Weise emotional berührt. Und gewiss wird der Gott aller Christen eher Freude an der Fußmatte haben als dass er danach trachtet, mit strafender Absicht den Besitzer der Matte ausfindig zu machen.

Vernünftig nicht wählen

Nach den aktuellen Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen ergibt sich eine Wahlbeteiligung von 50% und weniger.
Das wird ziemlich einstimmig als sehr bedenklich eingestuft.
Wenn also eine Partei die absolute Mehrheit von 50% plus einer Wählerstimme erreicht, hat sie bei dieser Wahlbeteiligung lediglich 25% der Wahlberechtigten auf ihre Seite gezogen. Dabei sind noch nicht einmal die Nichtwahlberechtigten, also alle Kinder und viele Mitbürger ohne deutschen Pass mitgerechnet. Es wird also auch für die „siegreichen“ Parteien schwer, den Wählerwillen im Wahlergebnis wieder zu finden, wenn man das Parlament dominiert, aber nur jeden fünften Menschen hinter sich weiß.
Da haben wir das allgemeine, freie und gleiche Wahlrecht über Jahrhunderte erstritten und sogar in den neuen Bundesländern seit 1989 zur Anwendung gebracht. Und nun ist der Bürger anscheinend undankbar und macht nicht mehr mit!?
Es gibt nun Anregungen, den Wähler mit Geschenken zur Wahl zu locken [Tagesspiegel] oder gar nach belgischem Vorbild die Wahlpflicht einzuführen.

Das Nichtwählen kann jedoch ebenso eine vernünftige Wahlentscheidung sein, wie das Wählen. Beides muss aber nicht unbedingt vernünftig sein. Diese Freiheit (wählen zu können und auch unvernünftig sein zu können) ist Menschenrecht. Eine Wahlpflicht würde also dem Wähler eine Entscheidungsmöglichkeit rauben und ist menschenrechtlich nicht akzeptabel. Geschenke würden in spätkapitalistischer Manier neue merkwürdige Motive einführen, sich zur Wahlurne zu begeben, ohne wenigstens der bedachten Wahlentscheidung den Weg zu ebnen.
Der Weg zur hohen Wahlbeteiligung ist im Grund ganz einfach und auch wenig spektakulär. Er setzt an bei einer Erziehung und Bildung zur Teilhabe und setzt sich dann schon automatisch fort in einer Politik, die sich nicht spitzfindig rechtfertigt und damit auf jegliche Erneuerungen verzichtet und dem Bürger stattdessen zuverlässig offenbart, dass es in Parteien und Parlamenten einzig und allein um das Wohl des Volkes geht.
Es ist schon heute so, dass es der Bürger in Wahlen honoriert, wenn ein Politiker sich authentisch von den aufgewärmten Instantpolitpositionen entfernt oder das real existierende und saturierte System des Regierens und Verwaltens in Frage stellt. Neue Parteien erhalten deshalb gern die Zustimmung des unverstandenen bis verzweifelten Bürgers als Vorschuss.