Das Stempeln in der Fußballsprache  ⚽️ 

„Gehste Stempeln?“ hieß es bereits vor über 100 Jahren. Um Arbeitslosengeld zu beziehen erhielt man eine Karte, die als Nachweis und Kontrolle immer abgestempelt wurde, wenn das Geld ausgezahlt wurde. Stempeln gehen war also ein fester Begriff über Jahrzehnte bis zur rationalen Einführung des bargeldlosen Übereignung und starb dann zeitgleich mit der Lohntüte. 

Neuerdings findet Stempeln eine Renaissance im Fußballsport. 

Um besser zu sein als der Gegner gibt es viele Tricks, die nicht immer das eigene Vermögen eines Spielers steigern, sondern auch das Vermögen des Gegners zunichte machen. Meistens gilt das als Foul und führt dazu, dass der Ballbesitz an Ort und Stelle wechselt. Meist ist es ein bedachtes Kalkül, bei dem die Folgen des Fouls weniger drastisch erscheinen als ein Verzicht auf ein Foul. Fouls als Ergebnis überzogenen Eifers gibt es auch, werden im Profisport aber immer seltener. Die absichtlichen Fouls sind dabei im Idealfall so ausgestaltet, dass sie als absichtsloser Zufall erscheinen. Eine Art, solche Fouls zu begehen, ist nun das „Stempeln“. Man unterbindet die freie Bewegung des Gegenspielers mit einem gezielten Tritt auf einen der Füße. Ein heftiger Schmerz und eben die fehlende Beweglichkeit sind wenigstens für einen Moment die Folgen. Es ist wie beim abstempeln einer Briefmarke, obwohl ich nach meinem Geschmack sehr viel lieber von Trethupe sprechen würde. 

Gerade läuft die Fußballeuropameisterschaft 2024. Man merkt, dass das Stempeln öfter reportiert wird als je zuvor. Schön, dass der Begriff Stempeln in der digitalen Welt noch eine analoge Lücke gefunden hat.

Unmaßgebliche Bemerkungen über das Foulspiel

Auch wenn wir es nicht mögen: Das Foul gehört existenziell zum Fußballspiel. Wenn sich also die Sportart weiterentwickelt, dann gilt das auch für die Fouls. Es erscheint dem naiven Betrachter so, dass Fouls nicht dazu gehören, weil sie ja grundsätzlich mit einem Freistoß der gegnerischen Mannschaft geahndet werden. Bereits das Wort Foul macht den Eindruck, dass wir ihm den Eintritt in die Sprache verwehren wollen. In den Anfängen des Fußballs, wie heute auch noch bei vielen Hobbymannschaften, waren Fouls nach Möglichkeit zu vermeiden. Je ernster der Sport betrieben wird, um so mehr merkt man, dass man, ohne aktiv zu foulen, fast immer den Kürzeren zieht. Der Spieler nimmt also im Zweikampf gern eine Prise von der Rücksichtslosigkeit, die so ein Foul heraufbeschwört. Es ist klar, dass auch die Ausbildung und die Praxis der Trainer vermittelt, wie man Fouls günstig einsetzt, den Verdacht zu vermeiden sucht, man habe vorsätzlich gefoult und insgesamt auch noch dabei auch noch die Unschuldsmine an den Tag legt.

Nun weiß ich wirklich nicht, worauf die Spieler der laufenden Weltmeisterschaft diesbezüglich trainiert sind. 

Da wird also der vielbeachtete und gut bezahlte Spieler Neymar übel gefoult. Er liegt am Boden, hält sich mit den Händen die Fußknöchel fest und wälzt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht minutenlang am Boden. Der Schiedsrichter ist geneigt, den Verursacher mit der gelben oder gar roten Karte zu bestrafen. Da springt Neymar auf, als ob nichts gewesen wäre und begründet den Verdacht des Schiedsrichters, er sei trotz des sichtbaren Fouls einer Spieleinlage aufgesessen. Solche Situationen mehren sich. Man weiß dabei nie, ab der eine oder der andere sich eine Bestrafung eingehandelt haben, oder gar beide.

Offenbar wird der Grundtatbestand des Fouls derart ausgestaltet, dass er Gegenstand der Sportwissenschaften ist und seitens der Trainer so etwas wie ein Training für Fouls geben muss, auch wenn das ein Fremdkörper in der Idee vom fairen Sport ist. Schließlich sind allerdings dann doch die Schiedsrichter mit der Bewerkstelligung des fairen Spiels allein gelassen.

Das legendäre “Mach et Otze!“ des Trainers Ruthemöller an seinen Spieler Ordenewitz (1.FC Köln) markierte bereits im letzten Jahrtausend die Aufforderung, sich über ein Foul die rote Karte zu holen, um dadurch die Bestrafung so zu steuern, dass man für ein hochwichtiges Spiel wieder unbelastet einsatzfähig ist.

Mittlerweile könnten allerdings die Leute vom Theater wertvolle Schützenhilfe leisten, das Foul möglichst so beeindruckend und glaubhaft auf den Platz zu bringen, dass Wirklichkeit und Fiktion untrennbar verschmelzen. Wer würde schon einem sich wälzenden Spieler, der von professionellem medizinischem Fachpersonal vor zigtausend Zuschauern in einen Nebel von Eisspray gehüllt wird sagen, er habe ja gar keine Schmerzen?

Ich bin SchLauspieler. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe noch reichlich viele Tips, das Foul auszugestalten.