Wir verkleiden uns gern. Wir verkleiden uns, um aufzufallen. Wir verkleiden uns, um nicht aufzufallen. Im Straßenkarneval wechseln die Verkleidungen, wie im Theater. Man hat Freiräume, alle möglichen Rollen mal auszuprobieren und auszufüllen. Wie im Theater auch, sind die Kostüme vordergründig stilecht, ab so billig, dass sie ihren Zweck erfüllen, aber auch nicht mehr.
Beim Oktoberfest ist es anders. Man lockt weltweit finanzkräftiges Publikum auf den bekannten Münchener Festplatz und sorgt dafür, dass sich bloß nicht jemand mit einem Faschingsdirndl oder mit einer Latexkrachlernen an den Zelebrationsort begibt. Nein, dort muss alles „echt“ sein. Auch Leute aus anderen Ländern bemühen den Dirndlfachhandel und lassen sich nicht lumpen. Notfalls gibt es auch im Versandhandel ausgewählt gediegene Kleidung zu erwerben. Ist man erst eingekleidet, dann schocken auch die Bierpreise nicht mehr.
Merkwürdig bleibt, dass bestimmte Trachten ehedem eine sehr enge regionale Verbreitung hatten und die Dirndl auch. Die bayrischen Textilexperten behaupten zwar, dass Trachten und Dirndl nichts miteinander zu tun haben. Außerhalb Bayerns bleibt das allerdings unverständlich. Es wurde stets darauf geachtet, dass alles in Grenzen gehalten wurde und die Unterscheidung zum Nachbarort blieb – bei der Tracht und beim Dirndl. Es gab also keine Ambition, die Trachten oder Dirndl über die Welt zu ergießen und die letzte Ecke der Welt dirndlfröhlich zu machen. Man war lediglich stolz, die eigene regionale Kleidung am eigenen Körper anderenorts zu zeigen und in der Fremde Zugehörigkeit zu markieren.
Aber vielleicht ist ja die alte Dirndlregel an der Beliebten Eintrittskarte in die Bierzelte schuld, dass man nämlich als Jungfrau die Schürzenschleife auf der anderen Seite trägt, als eine verheiratete Frau. Dadurch kann man idealerweise und zur eigenen Entlastung die Aktivitäten aller Schürzenjäger wirksam steuern. Wenn das nicht so ist, ist die Gewinnanfälligkeit der Dirndlindustrie Schuld daran, dass das bayrisches Textilvolksgut internationalisiert wird – bis auf das dirndlzugehörige Kropfband.

