Wir haben die Wahl

Heute war ich mal wieder wählen. Ich habe wohl zeitlebens an allen Wahlen teilgenommen, an denen ich teilnehmen konnte. Ich bin da ein alter Hase.

Weil der Wähler der Souverän ist, kommt es ja nicht darauf an, dass er immer brav wählen geht, sondern dass er mühsam wie freudig an einer eigenen Position arbeitet, die seine Wahlentscheidung begründet. Wenn es so ist, kann man dem Wähler seitens der zur Wahl stehenden Parteien nichts vormachen. 

Ich bin also heute mit meiner selbst erarbeiteten politischen Position zum Wahllokal gegangen. Ich konnte nicht umhin, so ein laternenumhüllendes Sandwichplakat der CDU mit dem Merz und dem Ortskandidaten Krings auf meiner Augenhöhe wirken zu lassen. Auf dem Weg zu meinem Wahllokal hatte der Wähler keine Chance, dem Plakat gedankenlos aus dem Weg zu gehen. Die Vorschrift, dass Parteienwerbung in der Bannmeile von Wahllokalen nichts zu suchen hat, blieb wohl unbeachtet. Ich brauchte nicht lange, um der Aufforderung der CDU, ihr direkt beide Stimmen zu geben, eine begründete Absage zu erteilen. Dem geblendeten Souverän, wird das Plakat wohl den letzten Schubs geben. Der selbst- und mitverantwortliche emanzipierte Souverän wendet sich nur angewidert ab. Von Rechts wegen hätte der Wahlvorstand das Plakat bereits vor 8 Uhr entfernen müssen.

Zu Hause habe ich lange überlegt, ob ich noch einmal zum Wahllokal gehe, um diese Übergriffigkeit der CDU vorzutragen und um Abhilfe zu bitten. Meine Erfahrungen mit Bureaukratie haben mir abgeraten. In eine Querulantenecke abgeschoben hätte ich bestenfalls als Beschmutzer einer CDU geprägten Lebenswelt den schriftlichen Bescheid bekommen, dass die Werbung ganz knapp außerhalb der (nicht näher definierten) Bannmeile befestigt ist.

Ja, ja – die Bürgerverdrossenheit von Verwaltung und Politik wird fälschlicherweise so gedeutet, als sei der Bürger seinerseits politikverdrossen. Das war freilich noch nie so.