Das ziemliche Brötchen

Das wirtschaftliche Handeln  ist eine Herausforderung, die ich als geiziger Mensch nicht oft bewältigen kann.

Heute wollte ich mir 4 Brötchen kaufen, die ich sehr mag und die dann auch etwas teurer sind (0,85€ das Stück). Nun greift aber das Sommerprogramm des ausgewählten Bäckers. Er bietet vorübergehend bei allen Brötchensorten ein kostenfreies Brötchen zusätzlich, wenn man 5 Brötchen einer Sorte kauft. Ich habe dann spontan 5 Brötchen gekauft und ausdrücklich 6 Brötchen bekommen. Soll ich jetzt die für meine Planung überzähligen Brötchen einfrieren, die geplante warme Mahlzeit heute durch ein Belegte-Brötchen-Buffet ersetzen oder merkwürdige Mitmenschen mit einem frischen Brötchen überraschen? Und: Wie ist das alles nun wirtschaftlicher zu werten?

Nachtrag:
Nach guter Beratung  habe dann 3 Brötchen eingefroren. Heute habe ich eines davon mit Toastergewalt aufgetaut und mir zur Geschmacksprobe dazu ein Tellerchen hergerichtet. Das Brötchen hat meine Prüfung bestanden und ich hatte eine fast vollständige schnelle  Mahlzeit.  Es ist ja immer gut, wenn man für alle Fälle Vorratshaltung betreibt. Im Moment  bin ich als Testesser sehr gefragt.

Das Kuchenstück

Die meist vor dem Verzehr geschnittenen Kuchenstücke sind eine bewährte, sehr praktische Digitalisierung von Kuchen und Torten. Anstatt sie nach Gewicht, nach Quadratzentimetern oder etwa löffelweise anzubieten oder zu verkaufen, gibt es eben möglichst gleich große und gleichwertige Kuchenstücke, die eigentlich jeder Mensch gut als Einheit akzeptieren kann. Manche essen sogar mehrere.

In den letzten Jahren hat sich eingeschlichen, dass der potentielle Konsument die Kuchenstücke im Privatbereich nicht mehr in der vorgefertigten Form akzeptiert. Er fordert meist halbe Stücke oder seltener besonders große Stücke und wird nicht verlegen, das auch noch zu begründen. Bäckereien folgen diesem Trend mit gutem Grund bisher nicht. Für mich ist die Infragestellung der Vorfarmatierung von Kuchenstücken eine Selbstbestimmung am falschen Objekt von Menschen, die  irgend etwas besser zu wissen glauben, anstatt sich einfach mal auf Vorgaben einzulassen. Wer nicht weiß, ob er ein zweites Stück vom Kuchen will, muss sich einfach nur entscheiden. Er wird danach weder verhungern noch zerplatzen.

Die Kuchentafeln mit zweigeteilten oder noch anders geteilten Kuchenstücken sind mir ein Graus. Ich verlasse auch gern den Raum, wenn der Gastgeber im voreilenden Gehorsam bereits alles verbröselt und vermatscht hat, um eine Vielfalt der verkleinerten und verkrüppelten Stücke zu zelebrieren.

ziemlich heidnisches Kuchenstück

Gestern war ich bei einem Beerdigungskaffee, der eigentlich Raue heißt. Es gab Brötchen, Wurst und Käse und gleichgroße Stücke Blechkuchen mit unterschiedlichem Belag auf Tellern angerichtet. Es war für alle genug da. Und dann meinte jemand, er müsse alle Kuchenstücke in der Mitte durchschneiden, damit nicht die eine isst, was der andere gern gegessen hätte. Und dann hat er es tatsächlich auch noch gemacht! Ich hätte gern ein vollständiges Stück Mohnstreusel gegessen. Das ging dann aber nicht mehr. Ich habe mir dann ein paar Brötchen belegt und niemandem eine Brötchenhälfte angeboten. Brötchen esse ich aus der Hand, Kuchen im belgisch-niederrheinischen Style mit Messer und Gabel.

Nachtrag 1:

Ich erzähle die Kuchenstückgeschichte beim sonntäglichen Nachmittagskaffee. Da gehört sie ja auch hin. Ich hätte die Geschichte vorlesen sollen. Denn die Reaktion war: „Es kann schon zu viel sein, wenn ich so ein Kuchenstück esse und dann schmeckt das am Ende fies und ich brauche lange, bis mein Körper wieder auf normal schaltet und für schmackhafte Nahrung zu gebrauchen ist. Wenn ich Besuch bekomme, dann lege ich zuvor schon ein Messer bereit, damit niemand hungrig bleibt oder zu viel essen muss.“ —

Ich habe darauf erst gar nicht reagiert. Ich bin doch kein Missionar. Zur Aufklärung könnte ich ja irgendwann einmal eine ungeschnittene frische Torte mit lediglich einer unbegrenzten Anzahl von Löffeln bereitstellen.

Nachtrag 2:

Auf Zuruf erwähne ich den ziemlich anarchistischen Umgang mit dem Kuchen in Finnland. Richtig verstanden, ist ja die Anarchie im besten Sinn urdemokratisch. Das ist mir sehr sympathisch. Wie weit diese finnische Methode in Finnland verbreitet ist, das weiß ich nicht einmal. Aber es gibt sie dort. In Finnland gibt es also einen Kuchen und ein Messer. Jeder schneidet sich nach eigenem Gusto selbst sein Kuchenstück zurecht. Wer zwanghaft ist nimmt dann wahrscheinlich winzigkleine oder riesengroße Stücke, je nachdem, ob er immer nur an andere oder immer nur an sich selbst denkt. Die Größe und die Form der Kuchenstücke sind dabei im allgemeinen aber vollkommen gleichgültig. Das ist mir ebenfalls sehr sympathisch. Ein Bezahlsystem würde bei diesem Verfahren aber eine Waage und wohl auch eine Ombudsperson erfordern. Und ich befürchte, dass erheblich Reststücke schließlich nur im unkontrollierten Gefecht mit dem Löffel vom Kuchenblech gegessen werden können – wenn der Kuchen wirklich lecker ist. Das ganze finnische Verfahren erinnert doch stark an künsterlische und sportliche Wettbewerbe. Ich würde zum Zweck des Kuchenessens den Gedanken an Wettbewerbe unterbinden und das konfektionierte Kuchenstück wohl doch bevorzugen.

Zum Untergang des Brötchens

Brötchen aus der marokkanischen Wüste …

Dass früher alles besser war, trifft nicht zu, außer bei Brötchen! Früher hatte man so seinen Lieblingsbäcker der sich auf Brötchen verstand. Dann irgendwann musste man ihn wechseln, weil der Niedergang des Brötchens Fahrt aufnahm. Bei weich aufgeblasener Krume zerbrach die Kruste immer laut im Biss und hinterließ hässliche Blutspuren an den Mundwinkeln. Ich bin dann vorsichtig geworden, habe um mich herum einen Splitterschutz aufgebaut und zur Not auch manchmal auf der Straße gegessen, um dem wertvollen Teppichen die scharfkantigen Splitter zu ersparen.

Man sagt ja, dass mit dem Aufkommen der Backkonzerne mit deren branchenüblichen Halbfertigprodukten nach und nach auch die kleinen Bäckereien geflutet werden. Hinter der Handarbeit verstecken sich der Preisdruck und eben haufenweise Industrieprodukte. In der Praxis wird das gute Brötchen umdefiniert, weil die Erinnerung daran verblasst. Manchmal kann man zum Höchstpreis Spezialbrötchen kaufen, die etwas besser sind, aber den Normalverdiener vom Kauf abschrecken. Ich bin nun in einer Phase, in der ich bei jedem unbekannten Bäcker ohne nachzudenken Brötchen kaufe. Danach bin ich bisher immer stärker verletzt, innerlich und äußerlich. In der nächsten Phase werde ich die Brötchen dann selbst backen.

Meine Erinnerung geht zurück an die unmittelbare Nachwendezeit. Auf einer Radtour habe ich im Raum Dresden eine kleine Bäckerei gefunden. Die Brötchen waren klein und kompakt, aber auch schwer. Nach meinen damaligen Ansprüchen waren sie unansehnlich. Doch dann ging es um Mundgefühl und Geschmack: Ich habe nie zuvor und auch nicht danach Brötchen gegessen, die leckerer und besser waren. Zudem waren sie auch noch preiswert.

Ich sage das jetzt alles nur, weil ich gern das Bild eines Brötchens aus der marokkanischen Wüste zeigen will.

Der Knusperich, der Knusperich, das war ein arger Wüterich

Die Brötchentests der 70er Jahre haben das Merkmal der Knusprigkeit erstmalig verbindlich definiert und im Bewusstsein der Menschen nach oben gespült. Fortan ging es eigentlich immer nur um die Knusprigkeit aller möglichen Speisen und der gute Geschmack wurde undifferenziert beiseite gelegt. An Ende bin ich mehrmals täglich aufgeschreckt, wenn wieder jemand das ultimative Verständnis irgendeiner Sache in der Knusprigkeit münden ließ. Zum Selbstschutz habe ich dann das Wort geächtet. Doch die Knackigkeit – von Salaten – wurde schnell hinterher geschoben. Das war nicht besser. Warum in aller Welt muss ein Salat knackig sein — und was ist das überhaupt?

Heute habe ich für das Frühstück Brötchen gekauft. Sie waren sehr unangenehm überknusprig, so dass ich zum Essen ein Tablett nehmen musste, damit die umherspritzenden Krümel wenigstens notdürftig eingefangen werden konnten. Die Krümel waren laut und haben auch noch meine Lippen aufgerissen und die Mundschleimhaut malträtiert. Sie konnten nur mit Kaffeegaben abgemildert werden.

Mein Gott, — womit habe das verdient? Denn die Welt ist doch im wesentlichen bunt und vielleicht auch etwas weich.