Es hört sich besser an als es ist

Ich sehe gerade im TV, wie eine von Napoleon unterzeichnete Begnadigungsurkunde für 5000€ verkauft wird.

Der Hintergrund ist, dass seinerzeit ein Häftling die Wahl hatte, seine Haftstrafe vollständig abzusitzen oder aber für Napoleon 8 Jahre in den Krieg zu ziehen, letzteres ohne große Aussicht auf ein langes glückliches Leben.

In Rußland hat man in der heutigen Zeit diese napoleonische Strategie übernommen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Hunger nach Soldaten auch heutzutage weltweit verankert ist, zunimmt und aus dem Begnadigungsverfahren eine probate Tradition macht. – Recht vor Gnade ist mit gutem Grund besser.

Meins und deins

Vom Prozess des Jahres ist die Rede, wenn es um den Fall Block geht. Den unbedarfte Bürger schaudert dieser Reallivekrimi um die Entführung von Kindern in einer geschiedenen Ehe.

Ich sehe nur einen gewissen Reichtum, der es Menschen erlaubt, jegliche bürgerliche Bodenhaftung aufzugeben und sich darin zu gefallen, mit der Gewalt der Reichen geltendes Recht auszuschalten und rücksichtslos menschliches Leid zu verbreiten. Dass auch noch ein bekannter Sportreporter als Sidekick rumtrotteln darf, das passt ins Szenario.

Vielleicht wird das ja noch was mit der Reichensteuer für eine gerechtere Welt.

Im Kartong …

Tupper insolvent

Die Firma Tupper stirbt und ich hüpfe vor Freude.

Seit meiner Kindheit verfolgt mich die Sekte der Tupperiander. Sie dringen seit meiner Kindheit in fremde Wohnungen ein und hinterlassen stets überhöhte Rechnungen und glänzende Augen bei Menschen, die zuvor vollkommen normal waren. Sie glauben an die hermetische Abriegelung aller Essensreste und sonstiger Lebensmitteln. Das Imperium bunter Erdölprodukte eroberte meist mehrere Küchenschränke in allen Wohnungen mit Bereitschaftsbehältnissen, die man vermutlich irgendwann einmal brauchen würde. Man wurde von ihnen erschlagen, wenn man einfach nur die Schranktür öffnete. Kritische Gegner wurden mit nudelsalatbefüllter Tupperware, dem Giveaway der Partykultur, schamlos angefixt. Es folgten zig Mahnungen, die gespülten Teile gefälligst wieder zurück zu bringen. Die Sekte lässt einfach nicht locker. Das religiöse der Bewegung mit freiberuflichen Zwischenhändlern im Direktvertrieb als Bischöfen offenbart sich vor allem im Preis der Produkte. Konkurrenzprodukte sind preiswert bis kostenlos und wirklich nicht schlechter – wenn man so etwas überhaupt braucht. Also wird der Preis bis heute mit der Behauptung hochgehalten, Tupperware sei stets in allen Vergleichspunkten überlegen und obendrein mit einer Garantie für die Ewigkeit ausgestattet. 

Jetzt ist das Spuk vorbei und ich kann unbehelligt mein tupperfreies Leben führen. Der Markt hat’s geregelt. Es wäre auch anders möglich gewesen. In der aufgeklärten Gesellschaft scheitern seltsamerweise alle Religionen mit ihrem typischen Ewigkeitsanspruch schließlich an so einer simplen Sache wie einem Markt. Das ist erstaunlich!

Ich sage das alles jetzt hier nur, weil ich immer mal wieder mit einer riesigen Glasschüssel voller Nudelsalat durch die belebten Straßen der Stadt laufe, um den Eindruck zu erwecken, ich hätte Freunde und wäre zu einer Party eingeladen.

Die Komplexität

Immer wenn mein Teddy ungestüm lacht, weil seine Söckchen verrutscht sind, schalte ich in Facebook meinen Beziehungsstatus für eine Weile auf: Es ist kompliziert.

Jahresendmarktgeschehensvorerwartung oder: Süßer die Glocken nicht klinge(l)n …

Die jetzt wieder aufkommenden Weihnachtsmärkte sind optimal konfektioniert.

Selbst für das frische Grün muss man nicht noch extra sorgen. Die üblichen Verdächtigen warten auf ihren Einsatz. Nur die Preislisten müssen wohl erneuert werden.

Weihnachtsfreuden

„Harter Lockdown ab Mittwoch“
(Zitat aus den Schlagzeilen vieler Zeitungen)

Die Wochenenden der Adventszeit sind für den Handel die wichtigste Zeit des Jahres. Er macht an diesen Tagen den größten Umsatz. Manche Branchen leben allein vom Weihnachtsgeschäft.

Die Verkäufe dieser Zeit fallen nun weg, weil die Coronalage so prekär ist, dass alles an Geselligkeit entzerrt und stillgelegt wird, was die Infektion mit Viren begünstigt. Gerade das Weihnachtsgeschäft ist voller zufälliger und unplanbarer Begegnung wildfremder Menschen. Und der Virus hat dabei beste Gelegenheiten zu einem Hopping von Wirt zu Wirt.

Endlich haben wir Ruhe vor dem Weihnachtsgeschenkerummel, vor Bratwürsten in Lebkuchensoße, vor der grenzenlosen Auffächerung unbedeutender dem Weihnachten wahllos zugeordneter Objekte für Deko- oder Geschenkzwecke in irgendwelchen Buden. Wir verzichten auf die Menschenmassen in den Innenstädten, die ihr sauer verdientes Geld zu Grabe tragen, nur weil das Fest vor der Tür steht. Wir verzichten auch auf Fahrten durch die Dämmerung, um in überfüllten Wohnungen mit Omas und Opas unsere Mägen zu überfüllen, dort quäkenden Kindern die frische Luft für den nächsten Tag zu versprechen und mit der Schwägerin zu zanken, während Oma sich einen Weg durch Bauklötze und Geschenkpapier bahnt.

Wir haben bereits jetzt die Ruhe vor dem Sturm, der aber diesmal ausfällt. Wir haben ja über viel Jahrzehnte beklagt, dass die Festvorbereitungen uns so sehr viel abverlangen, dass wir an den Feiertagen selbst ein bisschen zu kollabieren drohen. Und wir haben mit Sorge gesehen, dass eine Weihnachtstradition Jahr für Jahr durch sinnlose Elemente angereichert und aufgeblasen wird. Es sind Elemente, die wir ganz schnell in die Tradition einvernehmen, so als wären die Wettbewerbe mit illuminierten Häusern eine direkte Folge eines Lebens an der Krippe des Heilands mit Esel und Schaf unter dem Licht des Mondes.

Nach meinem Geschmack kommt der aktuelle Bruch in der Weihnachtswelt zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe mir nichts anderes gewünscht. Allerdings kommt der Anlass leider nicht als Neubesinnung aus der Weihnachtswelt selbst, sondern aus der aktuellen Gefährdung einer Virenpandemie.

Wenn wir nun nichts einkaufen, was wir zum Fest glauben haben zu müssen, dann sind wir doch auch reich und zudem auch etwas gleich. Weihnachten wird billiger. Daran können nun sehr viel mehr Leute standesgemäß teilnehmen. Wir können frei über unser materielles und immaterielles Vermögen verfügen, ohne es unter Bäume zu legen. Wem der eine oder der andere Dealer leid tut, kann ihn sogar vom eingesparten Geld finanzieren. Ich sehe aber eher die Möglichkeit, dass der Handel mit Waren, die der Mensch nicht braucht, auch ersatzlos einschlafen kann. Er existiert ja auch nur, um den Menschen drei Staubsauger und fünfzig Paar Schuhe zu verkaufen, obwohl sie ja nur einen Staubsauger und drei Paar Schuhe brauchen. Warum sollte ich in der vorletzten Adventswoche zum Herrenaustatter gehen mit anschließendem Seelebaumeln auf dem Glühweinstrich? Ich habe gerade mal überlegt, an welche Weihnachtsgeschenke, die ich bekommen habe, mich noch erinnere. Da fällt mir wirklich nicht sehr viel ein. Vor allem aber fällt mir ein Zusatzminischraubenzieher mit dem Kaufpreis von 1 DM für mein Taschenmesser ein, den meine Kinder mir gemeinsam zu Weihnachten geschenkt habe, als sie noch ziemlich klein waren. Das Messer habe ich  heute noch mit allen Funktionen ständig in Gebrauch. Es hat sich vom Weihnachtsfest gelöst.

Ich glaube, wir brauchen eine virenunabhängige Neuausrichtung des Einzelhandels, der fortan von den existenziell wichtigen Produkten lebt und die schöne Welt des Weihnachtsscheins für ein jederzeit verzichtbares Zubrot verkauft. Es wäre nicht zuletzt auch krisensicher, auf Gewinnanfälligkeit zu verzichten. Der Einzelhandel gründet seine Expansionen zu sehr auf die Vereinnahmung lästiger Konkurrenten mittels weitläufiger Glitzerwelten und staatlichen Hilfen, wenn der Riese dann strauchelt. Nachdem bereits bemerkenswert viele Arbeitsplätze in feindlichen und freundlichen Übernahmen vernichtet wurden, droht der angefressene Riese gern mit der Insolvenz und dem Verlust von Arbeitsplätzen. Leute, die beispielsweise einmal einen der sinnlichen Arbeitsplätze im Buchhandel hatten, können ein Lied davon singen und wenden sich vergrämt dem Onlinehandel zu, für ein gutes Buch zum Fest.

Auf allen Viren

Virulina (Symbolbild)

Wir schreiben das Jahr 2020. Es gibt einen neuen Virus. Er wird im Volksmund Coronavirus genannt, wie er so schön aussieht. Er ist derart neu, dass niemand über irgendwelche Antikörper gefügt, die ihn unschädlich machen könnten. Allerdings ist es auch so, dass gesunde und junge Menschen oft gar nichts vom Virus spüren. Andere allerdings können daran sterben. Man kann die Symptome bekämpfen oder erträglicher machen, aber gegen den Virus selbst ist noch kein Kraut gewachsen. Bis es einen Impfstoff geben wird, ist es die Strategie, die üblichen Wege der Verbreitung über Tröpfcheninfektion zu versperren. Man wäscht sich oft die Hände und meidet öffentliche Ansammlungen von Menschen. Dass man oft Viren verteilt, ohne sich krank zu fühlen, macht den ganze Auftritt des Virus tückisch. Die Menschen ändern ihre Lebensgewohnheiten und kaufen anders ein, als bisher. Verbreitet wird der Vorwurf, Leute würden hamstern und Unmengen Lebensmittel in ihre Kammern schaffen. Es gibt Fotos von leeren Regalen. Aufrufe, das nicht zu tun, haben offenbar keine Wirkung. Desinfektionsmittel und Gesichtsmasken sind ausverkauft und werden sogar in Krankenhäusern geklaut und tauchen sogar auf Märkten wieder auf, weil sich ihr Wert gesteigert hat. Dabei ist ihr Nutzen gegen den Virus für Privatpersonen begrenzt. Allerdings sind die Ärzte und Krankenhäuser an der Materialknappheit auch selbst schuld. Die Vorratshaltung ist schlecht und die Lieferketten sind derart auf Sparsamkeit getrimmt, dass weltweit der Nachschub fehlt, weil die chinesischen Produzenten ausfallen und den chinesischen Markt bedienen.

Das mit den Hamsterkäufen sehe ich zudem vollkommen anders, als es gerade medial vermittelt wird.
Wenn wir, wie gewünscht, unsere Umtriebigkeit reduzieren, was ja zur Verzögerung der Ausbreitung des besagten Virus beiträgt, weil man eben Verbreitungswege reduziert, wenn man also auch verstärkt zu Hause bleibt, dann ändern sich auch die Einkaufsgewohnheiten. Man kauft eher dann, wenn es in den Läden weniger drängelig und hektisch ist und kauft mehr, aber auch seltener. Das Warenangebot richtet sich hauptsächlich danach, was gekauft wird. Wenn sich die Kaufgewohnheiten ändern, dauert es also etwas, bis die Änderung logistisch nachvollzogen ist. Der just-in-time-Ablauf hat also einen kleinen Knick. Wenn beispielsweise jeder Käufer plötzlich zwei Großgebinde Toilettenpapier mitnimmt anstatt einem, dann ist bereits eine Lücke auf der Palette, wie man sie noch nie gesehen hat, die aber dann auch wieder aufgefüllt wird. Der Einkauf folgt den Versorgungsansprüche im Alltag und der Vorratshaltung aus akutem Anlass. Und ab und zu springt dabei auch mal ein Hamster vom Warenbeförderungsband und verschwindet in der Cerealienabteilung. Das ist normal! Es wird selten sein, dass in diesen Zeiten jemand mehrere Großpackungen Hackfleisch in den Kühlschrank stopft.

Die Vorratshaltung ist unter Mensch und sogar im Tierreich immer und überall ein Thema des Überlebens. Sie ist in den tiefsten Schichten der Entwicklung und des Bewusstseins verankert und läuft bereits ab, ohne dass man daran denkt, also im Kleinhirn. Dagegen kann man sich zwar intellektuell positionieren, aber nicht mit Erfolg.

Ach: Eine Apotheke in Bonn bietet gerade erfolgreich 100 ml Sterillium für 32 € an. Ein gutes Geschäft.

Ein kleiner Nachtrag:
Im Jahr 1961, also im kalten Krieg, hat die Bundesregierung alle Bürger mit sehr viel Aufwand zu Hamsterkäufen aufgefordert. Der Grund war die prekäre Sicherheitslage, in der man mit dem Schlimmsten zu rechnen hatte. Es gab sogar besondere Plakate mit Eichhörnchen, den vermeintlichen Superhamstern. Die Aktion war erfolglos. Es fehlte eben das Gefühl, in einer Notlage zu sein.
Das belegt meine These, dass über Hamsterkäufe nicht mit Argumenten entschieden wird.

Die Konditionierung

China entwickelt mit überwältigender Unterstützung aus dem Volk ein Punktesystem mit Bonus und Malus, nach dem gute und schlechte Taten beeinflusst werden. Wenn also beispielsweise dein Hund in den Park kackt, darfst du nicht ins Ausland reisen.

Konditionierung vereinzelter Individuen verzichtet auf die Ressourcen und Skills, die sich der Mensch über Jahrtausende angeeignet hat. Mit Zirkustieren geht das erfahrungsgemäß ganz gut. Aber man muss so etwas nicht deshalb machen, weil es geht. Es ist schauderhaft, wenn Menschen im Kollektiv zum Produkt einer zentral verregelten Gesellschaft werden und allesamt Wachhundattitüden zeigen und aufs Fressen schielen.

Ai Weiwei packt die Koffer

GermanEatArt

Als großer und sensibler Künstler unserer Zeit durfte Ai Weiwei irgendwann die Drangsal in seiner chinesischen Heimat verlassen. Das gilt wohl dauerhaft. Berlin war der Zufluchtsort seiner Wahl. Immerhin gilt Berlin ja auch nicht zufällig als Metropole der Entfaltung und des innovativen Geschmacks. Aber – wie das so ist – auch in Berlin ist nicht alles gut. Und sogar auch die Entfaltung hat Widersacher. Ai Weiwei stört sich daran nicht, sondern ausdrücklich an so etwas wie konkrete Taxifahrer mit fragwürdiger Weltanschauung und übergriffigem Argumentationsgehabe und einem dazu passenden Deutschland, das ihm tatsächlich nicht offen für Innovationen vorkommt. Von Taxifahrern der beschriebenen Art gibt es sicher eine Menge, auch in Berlin. Gleichwohl ist – dies nur als Beispiel – die Spekulation mit Wohnraum das weitaus größere Problem in Berlin, wenn man denn damit konfrontiert wird. In der Lebenswelt Ai Weiweis war es nun der eine und andere Taxifahrer. Um das Wesen der Deutschen zu ergründen hätte er sicherlich auch etwas mehr Zeit und einen gehörigen Blick in die Tiefe investieren müssen. Wenn Ai Weiwei nun ankündigt, den Ort zu wechseln, dann kann man nichts dagegen sagen. Wenn er allerdings den Beweggrund ohne Blick auf die Fülle urbanen Lebens von bestimmten Taxifahrern ableitet, dann klingt das aber etwas armselig und erscheint als Lösungsversuch am falschen Objekt.

Wer hypersensibel leidet und als Lösung den Ort wechselt, der kann das machen, verfehlt aber auf Dauer ein pragmatisches Glück. Da bin ich ziemlich sicher. Oder packst du auch die Koffer?

Ai Weiwei sagt ja: „Wer sein Ziel kennt, ist kein Flüchtling mehr.“ Er zeigt uns allen deutlich, dass er als ewiger Flüchtling agiert und nicht so ganz heimatfähig sein will. Es wäre schade, wenn es nicht doch ein Geschäftsmodell für herausragende Artisten ist.