Gewalt ist allerorten

Ich beklage ja seit langem die Invasion von Gewaltbegriffen zur Förderung unnötig gesteigerten Beachtung nebensächlicher bis vernachlässigungswerte Sachverhalte.

Wenn Gewalt im Spiel ist, dann kommen gemeinhin Redewendungen wie „Bombe geplatzt“ „Geschmacksexplosion“ zur Anwendung. Dies gehört sich aber vor allem nicht in kriegerischen Zeiten zur Bezeichnung friedlicher Angelegenheiten.

Vom 9.4.2024  [Sport1 online] gibt es ein ganz hässlichen Beispiel:
„Manchester Citys Trainer Pep Guardiola hat vor dem Duell gegen Real Madrid, das nach spektakulärem Verlauf 3:3 endete für einen kleinen Paukenschlag gesorgt – allerdings notgedrungen.“ — Einer der Stars hatte nämlich vor dem Spiel ein Unwohlsein und nahm deshalb nur auf der Bank Platz.

Nun ist ein betonter und isolierter Paukenschlag eine musikalische Übersetzung einer grässlichen Naturgewalt oder einem ähnlichen menschgemachten Desaster. Der Vorfall im Dunst eines Fußballspiels hat nun  wirklich gar nichts damit zu tun. Aber der Paukenschlag war angeblich ja auch nur klein. Flötentöne wären vielleicht angemessener gewesen.

Die Jahreszeiten und die Osterformel

Ich habe mich ja schon vollkommen zu Recht künstlich aufgeregt, wenn es um den Beginn der Jahreszeiten geht. Noch mal kurz: Frühling und Herbst beginnen, an den Tagen an denen Tag und Nacht gleich lang sind. Der Sommer beginnt am längsten Tag und der Winter an der längsten Nacht. Die Meteorologen meinen, den Beginn der Jahreszeiten auf den jeweiligen ersten Tag des jeweiligen Monats legen zu dürfen. Das ist falsch – total falsch(!) – und spiegelt nur die antiquierte Statistik dieser Experten, die angeblich nur monatsweise errechnet und fortgeschrieben werden kann.

Aber aufgemerkt! Ich habe nun noch einen dritten Jahreszeitenbeginn, der aber nur für den Frühling gilt. Es ist der katholische Frühlingsbeginn, in dieser Gegend hier für die Westkirche. Der wird zur Berechnung des Osterfestes und weiterer nachfolgender Festtage benötigt. Dieser Frühlingsbeginn ist erst einmal unverrückbar der 21. März, auch wenn der Kalender zum Beispiel in Schaltjahren ein anderes Datum vorgibt. Man nimmt dann den nächstfolgenden Vollmond und am dann nächstfolgenden Sonntag ist Ostern. Wenn man die Ostkirche und Besonderheiten bestimmter Länder und Kalenderformate mit berücksichtigt und die vorherrschenden Berechnungsmethoden unterschiedlicher Mathematiker, dann will der oberflächlich osterinteressierte Mensch schon nicht mehr mitdenken wollen. Er guckt nur noch in den richtigen Kalender. Abweichende Berechnungsbesonderheiten evangelischer Art sind mir unbekannt.

Ostergebäck: Hefezopf mit Hase

Seit meiner Kindheit ist das für mich trotzdem alles sehr einfach und sogar ohne Kalender zu bewerkstelligen: Wenn Schnee fällt, dann ist Winter – meine Lieblingsjahreszeit. Im einem zeitlich vorgegebenen Tagesablauf, der ja für viele Menschen gilt, gibt es aber zwei weitere jahreszeitlich bedingte Stichtage, die uns nicht unbeeindruckt lassen. Das ist zum einen der Tag, an dem man keine Beleuchtung mehr braucht, wenn man morgens aufsteht und der Tag, an dem man dann wieder ohne Beleuchtung nicht mehr aus dem Bett steigen mag. Allerdings bringt die konventionelle Uhrumstellung zweimal im Jahr alles durcheinander. Sie ist der mißglückte Versuch, die Abläufe der Planeten mit einem primitiven Toolkit menschennützlich auszutricksen.

Ohne Jahreszeiten wäre das Leben sehr viel langweiliger. Wir hätten vermutlich nicht einmal so fragwürdige Erfindungen wie den Laubbläser und die Übergangskleidung.

Das Sprechen mit dem Hund

Das Sprechen mit dem Hund ist Legende. Es bleibt aber in der Vorstufe zur Kommunikation hängen. Könnte der Hund mit einem Argument den Befehl verweigern, dann wäre das eine erfolgreiche Kommunikation. Aber der Mensch wäre für diesen außergewöhnlichen Fall gut vorbereitet. Er würde konstatieren, dass der Befehl noch nicht sicher zur gewünschten Reaktion führt und sähe sich veranlasst, weiterhin an der festen Verbindung von Befehl und Gehorsam zu arbeiten. Dass Hunde die besseren Menschen sein sollen, wie es oftmals vorgetragen wird, wird den Möglichkeiten des Menschen nicht gerecht.

Ruhestand

Wer in meinem Beisein das Wort Ruhestand in den Mund nimmt, der spielt mit dem Tod. Ruhestand ist ja letztlich der Rest, wenn sich das Leben ausgehaucht hat. 

Im Zeitgeist müsste ich sagen, dass das Wort Ruhestand meine nichtreligiösen Gefühle so stark verletzt, dass das Wort wegen seiner Toxizität verboten gehört. 

So etwas sage ich aber niemals. Und ich habe auch keinen derart todsicheren Zugang zu meinen Gefühlen, dass ich das so sagen dürfte.

Ich beklage nur das gedankenlose Niveau des Sprachgebrauchs und den unweigerlich einsetzenden Gefrierschnitt durch ein Gespräch, der durchaus mit Wärme kaschiert sein kann.

Du – und ich auch – haben mehr Sorgfalt verdient.

Zum 1. Mai 2020

Ja, ich habe eine eigene Gewerkschaft.

Ihr könnt Mitglied werden. Der Gewerkschaftsbeitrag ist der gleiche, wie bei anderen Gewerkschaften. Meine Kontonummer teile ich gern mit.

Ich werde nichts für euch tun. Aber das kennt ihr ja schon. Ich werde im Schulterschluss mit allen Arbeitgebern in diesen Zeiten um den Verlust auch jedes sinnlosen Arbeitsplatzes zum Beispiel in den abgehängter Sparten der Energie- und der Reisewirtschaft bangen.

Ich werde die überbordenden Menschenansammlungen zum Tag der Arbeit vorbei am Lockdown in digitale Räume umleiten und dort Arbeiterlieder in allen gängigen Formaten einspielen. Wenn mehrere von euch an der pazifistisch-veganen Gulaschkanone zusammenstehen, dann werde ich immer unter euch sein. Wer schwer solidarisch ist, denkt an sich selbst ohnehin zuletzt.

Ich verspreche: Es wird euch mit meiner Gewerkschaft gewiss nicht schlechter gehen. Es gibt keinen guten Grund, alles beim Alten zu lassen und den Aufbruch zu verschlafen. Wie gesagt: Meine Kontonummer gibt es gratis.

Der Mond

Jeder, der etwas auf sich hält, postet in diesen Tagen ein Foto vom Mond. Im Grund sind alle Bilder gleich, wenn man die unterschiedliche technische Ausführung so eines Fotos vernachlässigt. Es ist ja nun immer der selbe Mond. Dennoch ist der Chronist geneigt, neben dem Datum eine Ortsangabe hinzuzufügen.

Dabei fotografiert er ja nicht Wanne-Eickel, sondern den Mond. Die Chronisten fügen dem Mond also unnütze Informationen hinzu und veranlassen mich, eines dieser Bilder zu entwenden und mit allen erdenklichen Ortsnamen zu klonen und zu veröffentlichen. 

Geh mir weg mit Cranberry …

Ich vertraue meinem Geschmack. Cranberrys sind sauer und schmecken nur dann gut, wenn dazu gesagt wird, dass es „fürchterlich gesund“ ist. So ist der Mensch oft sozialisiert! Aber sie sind gar nicht so gesund, dass es bemerkenswert ist. Man versucht zwar seit Jahren verzweifelt, eine Medizin daraus zu machen und zählt die Vitamine und Spurenelemente auf. Aber all das reicht nicht für einen wirklichen Nachweis.

Klar kann man die Beeren essen, werden sich auch vor 200 Jahren die Siedler in Nordamerika gedacht haben. Denn Not macht erfinderisch.

Mittlerweile sind Cranberrys ein Massenprodukt, das sich schwer vermarkten lässt, weil es viel mehr davon gibt, als die Menschen haben wollen. Cranberrys sind deshalb auf dem Weltmarkt konkurrenzlos billig. Für die weiterverarbeitende Industrie ist es aber ein ideales Produkt. Es wird nahezu automatisch geerntet und problemlos und vielfältig verarbeitet. Die endlosen Felder Nordamerikas werden unter Wasser gesetzt, mit Wasserbewegungen werden die Beeren abgetrennt und dann aus schwimmenden riesigen Teppichen abgesaugt und in die Fabrik verfrachtet. Dort wird man dann auch Zuckerüberschüsse los, weil man dies Beeren sonst überhaupt nicht essen mag. Um die Beeren in den Markt zu drücken bietet man der Lebensmittelindustrie die Beere als billigen Ersatz an, beispielsweise für Rosinen. Aber weil die Cranberry robust ist und fast alles verzeiht, kann man sie auch erfolgreich so verarbeiten, dass sie nach irgend etwas anderem schmeckt. Beliebt sind die Geschmacksrichtungen Kirsche und Heidelbeere. Wenn also mein Kirschjoghurt gar keine Kirschen, sondern Cranberrys erhält, dann ist das ein Erfolg der Vermarktung von Cranberrys und ein Erfolg auf dem Weg, die Kosten für das Endprodukt gering zu halten. Hinzu kommt die Imagewerbung für die Cranberry selbst. Sie ist so erfolgreich, dass viele Leute geneigt sind, sogar Cranberrys als Cranberrys zu verspeisen, weil sie eben als „wahnsinnig gesund“ zu einem überhöhten Preis angeboten werden. Die Chance der Cranberry ist es also, dass sie sich wie kaum etwas anderes zur industriellen Verwertung anbietet und gegen vieles austauschen lässt. Sie steht also der Sojabohne in dieser Hinsicht um nichts nach.

Die Cranberryfarmer können dem Preisverfall kaum standhalten. Die kleineren Farmen geben auf. Die größeren Farmen werden noch größer und rationalisieren noch mehr, und arbeiten erfinderisch an neuen Cranberryprodukten, um am gigantischen, aber sinnlosen Cranberrymarkt zu bestehen. Es geht also mal wieder ums Geld.