Der Hund kann nix dafür

Der zu Werbezwecken sprechende Hund ist eigentlich ziemlich so fantasielos wie die Kultur, die Hundeexkremente einer sinnvollen Verwendung zuzuführen.

Ich habe meine internationale Sammlung frischer Kotsammeltüten aufgelöst. Eigentlich hatsie sich selbst aufgelöst und unter der Hand zerbröselt. Das mag ich nicht. Die letzten Tüten habe ich dann als originelle Geschenkverpackungen genutzt. Meine Freude bei der Geschenkübergabe hat bis heute überdauert.

Heute durfte ich einmal mehr dem Aufklauben fester Köttel mit der Tüteninnenseite zuschauen. Das Abkoten war schon planmäßig erwartet worden. Jetzt bin ich wieder etwas desensibilisiert.

Gestern war es noch anders: Wir haben in der Not und ziemlich verlegen zu zweit etwas laut gelacht, als eine Hundeführerin in gebückter Haltung mit einem handelsüblichen Desinfektinstuch die etwa 750 Gramm schwere Trethupe rektal bis tief in den Darm hinein bearbeitet hat, um dann mit einem zweiten Tuch den auf 5cm gekürzten Schweif noch einmal mit einer geübten Aufabwärtsbewegung aufzuhübschen.

Wir waren auf dem Weg zum Weihnachtsmarkt und hatten für den Weg genügend Gesprächsstoff. Erst am Zelt der Wahrsagerin habe ich als traditionelles Intermezzo mein altes Konzept von einem Unwahrsagerstand vis a vis wieder herausgeholt.

Aber auf dem Rückweg kam mir die eigentlich schon archivierte Erfahrung wieder hoch, als ich an der Ampel wartend eine fröstelnde Hundeführerin im gediegenen Pelzmantel beobachtete, die die Tüte mit dem aufgeklaubten Kot einmal um sich selbst wickelte, um sie dann flugs in der Manteltasche zu versenken. 

Mit diesem Erlebnis war ich damals wochenlang hilflos allein und wusste zum Schluß kaum noch, ob ich geträumt oder nicht richtig hingeguckt hatte.

Ich sage es ganz offen: Ich würde ob solcher Erlebnisse gern zu machen, bringe es in der urbanen Lebenswelt aber nicht zustande. Kleine Desensibilisierungen zwischendurch sind mein Schicksal.

Unter Freunden …

Dat is dä Jünter …

Mein Freund O. (jetzt 8 Jahre alt) sitzt zwischen allen Stühlen. In seiner Lebenswelt ist er Mitglied beim 1.FC Köln. Seine Lebenswelt II ist dagegen ganz fest auf Borussia Mönchengladbach ausgerichtet und schmückt ihn ab und zu sogar mit Borussiadevotionalien.

Anlässlich des letzten Spiels beider Mannschaften gegeneinander hat sein Fanstatus bedenklich gewackelt: Er hat sich ein Unentschieden gewünscht. Er ist ein typischer Kandidat für ein Doppelleben. Fans kennen bekanntlich nur alles oder nichts. Ich fördere das friedfertige Doppelleben.

Der Hauptmann von Köpenick hat ein neues Gesicht

Der Minister Dobrindt trägt neuerdings gern Uniformteile der Polizei in der Öffentlichkeit. Uniformen sind jedoch in diesem Fall im Strafgesetzbuch ($132a) ohne Ausnahme der Polizei  vorbehalten und anderenfalls verboten.

Es ist ja bekannt, dass es viele Menschen auf der Welt gibt, die sich selbst gern mit Uniformen aufbauschen und sich damit den Lippenstift einsparen.

Und die Strafverfolgungsbehörden lassen eine solche Übergriffigkeit auf die Polizeikleidung einfach so laufen?

unqualifizierte Sprachübungen

ein bekannter polnische Ort mit einer Skisprungschanze wird jetzt von den Sportreportern nicht mehr Wisla ausgesprochen, weil das L einen Strich hat (Ł ł). Getreu irgendwelcher Übersetzungen dieser Sprachhürde sagen sie neuerdings „Wiswa“, um sich punktuell dem polnischen Sprachraum zu nähern und den diplomatischen Standard zu erreichen. So gesprochen, könnten sie ja auch ein W schreiben und würden dann aber merken, dass sie damit in Wirklichkeit vom polnischen Sprachraum weiter entfernt sind als zuvor.

Ich habe mir einmal die polnische Aussprache am Rechner vorsagen lassen und dabei dann auch geübt. Das Ergebnis war kläglich. Es hörte sich am besten an, wenn ich ein L mit halb eingerollter Zunge und mit spitzem Mund und einem kleinen runden Loch zwischen den Lippen gesprochen habe. Vor dem Spiegel sah ich damit so erbärmlich aus, dass ich mich selbst nur noch mit zurückbebender Leidenschaft angucken konnte, vollkommen abgelenkt von der Sprache selbst.

Liebe Sprachaufseher der Fernsehschaffenden: Lasst sie einfach wieder die Sprache des Publikums sprechen. Das ist ihr Auftrag.

Ich schreibe das hier nur deshalb, um an den legendäre polnische Arbeiterführer zu erinnern.

Journalismus anno 2025

Früher war der Journalismus mit dem Qualitätsmerkmal „Neutralität“ ausgestattet. Diese Idee wirkt bis heute fort. In der Praxis des Journalismus hat sich aber nach und nach ein vollkommen anderes Qualitätsmerkmal durchgesetzt, nämlich die „Allparteilichkeit“, die die emotionale Distanz durch eine einfühlsame Nähe zu allen Protagonisten ersetzt und damit beobachtbaren Sachverhalten eine humane Tiefe hinzufügt und insgesamt das Rezipientenverständnis erweitert.

Es ist wie im Theater, in dem der gute Vortrag durch das Erleben in der Rolle zu einem vertieften Erleben führt. Und es ist sogar wie in der Psychotherapie, in der der Therapeut erst durch eine Allparteilichkeit den beteiligten Menschen zu einem erweiterten und neuen Erleben tradierter Muster verhilft.

Ich sage das nur als kleinen Beitrag zu der Debatte um die jetzt mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ausgezeichnete ZDF-Korrespondentin Sophie von der Tann. Sie wird in einer Medienkampagne als „nicht neutral“ abgewertet, weil im Nahostkonflikt in ihrer Berichterstattung die Palästinenser bevorzugt werden und Israel zu kurz kommt. Dies alles mit dem Tenor, dass die Berichterstattung früher besser war. Diese Kritik entbehrt der Grundlage und hat die Idee der Allparteilichkeit nicht verstanden. Sie folgt einem überholten Deutungsmuster. Die journalistischen Beiträge von Frau von der Tann erweisen sich mir als wirklich rundum preiswürdig.

Facharztbingo

Ich habe heute aus Gründen einem bestimmten Facharzt gemailt …

„Guten Tag,

zum zeitigen Besuch ihrer Arztpraxis orientiere ich mich an den auf ihrer Website ausgewiesenen Sprechzeiten. Und ich finde es gut, dass sie im wesentlichen auf Terminvereinbarungen verzichten. Allerdings finde ich es aber irgendwie auch unwürdig bis anstrengend, wenn sich im Treppenhaus lange Schlangen bilden.

Heute kam ich so um 10:30 Uhr zu ihnen und die Schlange war kurz. Dann sah ich die überklebten Öffnungszeiten, die nun wohl schon länger mit den Angaben auf der Website überhaupt nicht übereinstimmen und schließlich keine Vergewisserung ermöglichen und eine gewisse Beliebigkeit vermitteln. Als dann eine Patientin vor mir sehr seltsam am Empfang angeranzt wurde, weil die Sprechzeit um 10 Uhr abgelaufen war, habe ich mich dann doch aus dem Staub gemacht. Ich möchte mir als Patient keinen Zugang zum Arzt erkämpfen müssen. Ich habe insgesamt etwa eine Stunde des Tages sinnlos vertrödelt. – Jetzt sind sie dran …“

Was ist mit den Netzwerken los?

In letzter Zeit wird viel über „soziale Netzwerke“ gesprochen, aber fast immer mit dem Tenor, diese Netzwerke seien überhaupt nicht sozial, sondern eher gefährlich und hinterhältig.

Was auch immer dahinter steckt, so ein Paradoxon ist es wert, sachgerecht benannt zu werden, ohne Netzwerke per se abzuwerten.  — Vorschläge …?

Es hört sich besser an als es ist

Ich sehe gerade im TV, wie eine von Napoleon unterzeichnete Begnadigungsurkunde für 5000€ verkauft wird.

Der Hintergrund ist, dass seinerzeit ein Häftling die Wahl hatte, seine Haftstrafe vollständig abzusitzen oder aber für Napoleon 8 Jahre in den Krieg zu ziehen, letzteres ohne große Aussicht auf ein langes glückliches Leben.

In Rußland hat man in der heutigen Zeit diese napoleonische Strategie übernommen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Hunger nach Soldaten auch heutzutage weltweit verankert ist, zunimmt und aus dem Begnadigungsverfahren eine probate Tradition macht. – Recht vor Gnade ist mit gutem Grund besser.

Das gibt es nur in den antisozialen Medien:

Eine Werbung wirbt für eine App, die jede Werbung blockiert. – In der Überschrift wird ein kostenloser Rückgriff auf die vergessenen Tiefen des Betriebssystems angekündigt. Und dann kostet es doch 1,99 €. In analogen Zeiten hätte sich das niemand getraut.

Wer will sowas kaufen? – Ich nicht!

Die Vielfalt im Kohl

Der Kohl gibt sich der Züchtungsfreude der Menschen hin. Dabei sind die Wünsche der Menschen so dominant, dass die Kohlkonsorten sich in ihr Schicksal fügen. Während Weißkohl und Rotkohl ihre Zusammengehörigkeit nicht leugnen können, sind Kohlrabi, Rosenkohl, Broccoli und Blumenkohl sehr extravagant aus der Art geschlagen – optisch und geschmacklich, wobei der Romanescu an dem einen oder anderen noch etwas Anklang nimmt. Was früher den einen oder anderen Kohl geschmacklich ausmachte und meist bei der Zubereitung Auswirkungen hatte, hat keine Bedeutung mehr. Es wird berichtet, dass der Grünkohl erst geerntet werden durfte, wenn er wenigstens einmal gefroren war. Das gilt nun, dank der Züchtigungsmannipulationen nicht mehr. Der Mensch zeigt – warum auch immer – die Tendenz, die Besonderheiten im Geschmack und in der Konsistenz abzumildern, bis das Gewächs kaum noch Eigenarten hat, damit man bei der Essenszubereitung alle Register ziehen kann, der Pflanze den eigenen Geschmack aufzuzwingen. Das Bittere und das Scharfe sind schon weg, wenn man im Gemüseladen die Auswahl trifft. Eine nur vermutete Restschärfe im Produkt führt zur Ertränkung mit Sahne und Hitze im Kochtopf. Vorbild für alle Gemüsesorten sind in dieser Hinsicht Pflanzen wie die Zucchini, die im Doppelsinn äußerst geschmacklos sind, damit der Koch damit jeden Geschmack bastel kann, den er gerade so haben will. Damit sind wir ja ganz nahe an die Industrieküche und ihre Convenienceprodukte herangerückt: Man sucht nach billigen Produkten mit guten Namen als anerkannten Magenfüller, nutzt den Chemiebaukasten zur Konsistenzsteuerung, sucht Lücken, um Überproduktionen von Zucker und Fett einzubauen und lädt aus dem Internet die exakten Geschmacksvorlieben der Zielgruppe, um das Gericht so zu finishen, dass sich die Sache totsicher verkaufen lässt. Wenn der Abnehmer auch noch etwas gesunde Knackigkeit will, gibt es noch ein Schüsselchen Eisbergsalat, die inhaltsleere, geschmacklose und pflegeleichte Allzweckwaffe mit verdünntem Conveniencedressing. 

Hmmmm? Was soll ich nun essen? Ach – da habe ich ja noch was.