Hier ne Demo – da ne Demo …

In der gestrigen Sendung der ARD „Politik trifft auf Protest – Pegida bei Günther Jauch“ wurde es deutlich:

Dieses Pepita ist kein Gegner, sondern eine kleine Inszenierung eines außerparlamentarischen Widerstandes mit bewahrender und erneuerungsfeindlichen Ausrichtung. Eine Vertreterin, Kathrin Oertel (nicht zu verwechseln mit einer tapferen Frau nahezu gleichen Namens, die ihre Unabhängigkeit behaupten muss „I`m not the Katrin Oertel from PEGIDA and I have nothing to do with this!!!„) hat das deutlich so vermittelt. Sie ist unzufrieden mit der Politik. Sie stimmt den etablierten Parteien im Wesentlichen zu und beklagt schließlich nur, dass die herrschende Politikerkaste den bestehenden Gesetzen gegenüber zu anwendungsfaul ist. Sie sieht auch die Heere von Trittbrettfahrern, die mit naiven oder neurotisch verschleimten Argumenten sich ihrer Gruppe zum Spaziergang hinzu gesellen, ohne eine bedachte Position zu haben.
Offenbar hat sich Pepita unerwartet, ungeplant und feuerschnell als zündende Idee etabliert und nun weiß man nicht, wie man das steuern soll. Damit sich diese Ansammlung nicht bald in Wohlgefallen auflöst, suchen ihre Macher nun doch den Kontakt mit denen, gegen die sie protestieren und machen sich damit dann aber auch langfristig überflüssig. Die etablierten Politiker Spahn (CDU) und Thierse (SPD) empfahlen dann auch, dass sie mit der Unzufriedenheit doch einmal zu „ihrem“ Abgeordneten gehen soll, der in seiner Bürgersprechstunde bereits wartet. Dieser tödlich-arrogante Hauch des bestehenden status quo der Politik auf allen Ebenen, drohte damit das gute an Pepita – nämlich das Bürgerrecht zur Versammlungsfreiheit aktiv zu nutzen – abzuwürgen.
Der aufgezeigte Weg von Herrn Richter (Sächsische Landeszentrale für Politische Bildung), eben keine Streitparteien quantitativ gegeneinander aufzurüsten, sondern individuell das Gespräch zu suchen, also die versäumte (politische) Bildung ergebnisoffen in der Begegnung nachzuholen, erscheint mir da als bester Weg, etwas zu bewegen. Er verwies auf seine teilnehmende Beobachtung und wegweisende Gespräche.
Ich sehe es so, dass eine eigentlich nicht vorhandene Bewegung durch Gegendemonstranten und die zwangsläufig damit verbundene Aktivierung von Gewalttätern mit „rechter“ und „linker“ Gesinnung erst zu einer Bewegung gemacht wird. Dabei bleibt die dringende Glaubwürdigkeit und Reformbedürftigkeit der Politik auf der Strecke. Sie wird durch die streitenden Akteure ausgeblendet.
Es läuft ja gar nicht so gut, wie die Regierung und die sie tragenden Parteien weiß machen wollen. Das Vertrauen der Bürger in den Staat ist so lange gerechtfertigt, wie sie der Überzeugung sind, dass Fundamentalnormen wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit durch die praktische Politik vertreten werden. Wenn aber der öffentliche Politiker Verständnis heuchelt und auf Deibel-komm-raus Fehlentscheidungen rechtfertigt und immer nur sagt, der Bürger hätte ihn nicht richtig verstanden (das Umgekehrte ist meistens der Fall!), dann wenden sich die Bürger ab. Allein die missglückten Versuche zu den Themen TTIP, Maut, Atomkraft, Soli, Steuerreform, Waffenexporte reichen bei weitem aus, sich dem parlamentarischen Weg zunächst zu verweigern, weil der Vertrauensvorschuss aufgebraucht ist. Damit ist dann auch eine Legitimationskrise des parlamenarischen Systems diagnostiziert.
 Freilich muss sich auch der Bürger als Wähler etwas anstrengen, damit neu zu wählende Parlamente besser arbeiten. Bisher ist der Politiker bürgerverdrossen und nicht umgekehrt – zumindest das zeigt Pepita (oder wie das heißt) deutlich.

Dann glaub mal schön …

Es ist jetzt immer zu lesen, dass die friedfertigen Moslems im Gegensatz zu den aggressiven das richtige Religionsverständnis haben.

Ich aber sage euch, dass es eine Überzahl von Christen, Hindus, Buddhisten und Moslems gibt, die einfach nur friedfertig sind und deren Religionsverständnis ebenfalls in der braven Gefolgschaft endet, wie sie in mittelalterlichen Gesellschaften gefordert wird. Sie haben nur „Glück“ gehabt, weil sie vor den Anforderungen der modernen Welt beschützt werden und ihnen der liebäugelnde Blick auf die aggressive Alternative erspart bleibt. Es ist an der Zeit, die Theologien als Herrschaftswissen aufzugeben und das Individuum zu befähigen, selbst- und mitverantwortlich seinen Orientierungspunkt außerhalb dieser Welt selbst auszugestalten.

Mit Freude in den Krieg: Warum?

Ich erkläre einmal kurz, was immer wieder in den Medien gefragt, aber nie beantwortet wird:

Warum gehen junge Männer und Frauen mit Freude in einen Krieg?
Gesellschaften und Individuen unterliegen einem Entwicklungserfordernis. In der gut integrierten mittelalterlichen Gesellschaft lebte das Individuum in einer freiraumarmen Rollenidentität. In der aktuellen Gesellschaft überlebt das Individuum nur dann ohne Schaden und mit Gewinn, wenn es eine flexible Ich-Identität (Lothar Krappmann) gelernt hat.
Die Statuspassage vom Kind zum Erwachsenen entspricht dem Wandel von der mittelalterlichen zur modernen Gesellschaft. Deshalb erinnert die Pubertät auch sehr stark an die französische Revolution.
GelingtdieStatuspassage nicht, dann gibt es sehr verschiedene individuelle,leidbegleitete Lösungen. Eine Lösung wäre es, eine mittelalterliche Gesellschaft aufzusuchen, die als das Neue erscheint, aber zu praktizieren erlaubt, was das Kind gelernt hat, nämlich ineinerRollenidentität zu leben. Diese Versuche eines islamischen Staats bietet so etwas an. Sie werden eine Episode, weil sich gesellschaftliche Entwicklungen nicht umkehren lassen. Das stört ihre Protagonisten nicht.

Die Sprache drückt solche Entwicklungen aus: Wenn Papa und die heiligen Bücher nicht mehr Recht haben, dann habe ich vielleicht schon bald eine Meinung.
Das ist die Fassung für die eingefleischten Kurztextleser.
Die langen Fassung muss ich noch etwas ausarbeiten.

Über Freiheit und Religion

Kein Mensch kann einem anderen Menschen die Ausübung des Grundrechts auf eine freie Meinungsäußerung verbieten. Daran zu rütteln, würde Entwicklungen zur Vielfalt und Humanität abschneiden.

Wenn Menschen nun irgendeine Religion ins Feld der Debatte führen, die allgemeinverbindlich viel gestattet aber auch einiges verbietet, dann öffnen sie die Tür für alle möglichen Wünsche ihres Gottes und das auch noch mit einem universellen Anspruch.
Vor diesem Gott ist nichts mehr sicher! Er frisst die Menschenrechte!
Wer die grenzenlose Freiheit einschließlich Geschmacklosigkeit und Sarkasmus nicht mag, der muss weggucken und sich selbst um geschmackvollere und weniger sarkastische Beiträge im Wettbewerb freier Meinungen bemühen.
Das Gefühl der Freiheit wird grundlegend verletzt, wenn nun aus den Hochburgen des Islam und den Regierungspalästen vorwiegend islamischer Länder der Ruf kommt, Charlie Hebdo hier und dort und am besten überall aus dem Verkehr zu ziehen. Das schnürt mir und dir den Hals zu.
Religiöse Gefühle gibt es nicht! – Gleichwohl aber das gute Gefühl, frei zu sein!

Falsche Freunde…!?

Gegen die posthume Vereinnahmung der toten Mitarbeiter von Charlie Hebdo wehren sich jetzt die Überlebenden. Sie lehnen die „Freunde“ ab, die sich nun per Mausklick oder Demo millionenfach aufdrängen, weil deren Motive eigentlich nur abseits des Selbstverständnisses von Charlie Hebdo liegen können. Die geschlossene Front der demonstrierenden Politiker gehört ihnen ebenso zu den falschen Freunden wie die Rassisten, die nun strategische Solidarität zeigen.
Diejenigen Politiker, die da in den vorderen Reihen mitmarschiert sind, sind zum großen Teil dafür bekannt, dass sie es mit der Friedfertigkeit selbst nicht so genau nehmen. Die öffentliche Präsenz war – ob mit oder ohne Trauer – politisch vor allem nützlich. Mittlerweile gibt es gottzeidank ja auch eine öffentliche Debatte über diejenigen, die die Ereignisse in Paris zum eigenen Vorteil instrumentalisieren. Allein das Geschäft mit dem Logo „Je suis Charlie“ von Joachim Roncin haben T-Shirthersteller und sogar Geschäftemacher aktiviert, die sich das Logo als gute Einnahmequelle schützen lassen wollte.

Es war also wohl doch durchgängig kein Platz für tränenverwaschene Worte, die eine umfassende Solidarität in trunkenem Mitgefühl ausdrücken, so wie es das Erste Deutsche Fernsehen uns mit der Überschrift „Paris trauert!“ weiß machen wollte.
Die begleitende Presse hätte nicht die Aufgabe haben sollen, die Situation katalytisch auf die Spitze zu treiben und auch noch Menschen ins Feld zu führen, die ihr Land lieben.
Die hat es wohl versäumt, gerade in dieser Situation auf trennscharfe Begriffe zu setzen und einen journalistischen Mehrwert zu markieren.
Ich schätze auch das Spiel mit der Sprache, aber eben nicht als journalistische Nebelmaschine.

Annäherungen an den Islam

Ich habe gerade Stimmen aus Moscheen zu den Attentaten in Paris in der Presse recherchiert.

Die Essenz ist,

  • dass die Morde der Terroristen zu verurteilen sind,
  • dass die Morde aber mit dem Islam nichts zu tun haben und
  • dass (unabhängig davon) die islamkritischen Karikaturen auf keinen Fall zu tolerieren sind.

Zwischen Ankara, Kairo und Teheran kursiert dann auch die Expertenposition aus der Islamwissenschaft und der ihr zugeordneten Politik und Presse, dass man wählerischer sein muss, die kritischen Karikaturen zur Gefälligkeit Allahs auszurotten.

Man kann das so lesen, dass Karikaturisten Übergriffe selbst zu verantworten haben und dass die Errungenschaft der Freiheit, der herrschenden islamischen Vorstellung vom Kritikverbot in islamischen Zusammenhängen unbedingt unterzuordnen ist.
Satirezeitschriften auch in vorrangig islamischen Ländern wird dem entsprechend offen gedroht.

Haben die Terroristen in Paris also nur die falsche Methode gewählt?

Bei aller Freundschaft mit vielen Moslems:
Ich brauche jetzt ein Bekenntnis zum Islam, der sich auch um seine Fehlentwicklungen kümmert und ein Bekenntnis zur ungebremsten Meinungsfreiheit, einschließlich jeder Form der Kritik auch an Religionen und dem damit verbundenen Humor und Sarkasmus.
Die Religionsfreiheit gilt im Rahmen verbindlichen Rechts, nicht darüber hinaus.

Religiöse Gefühle gibt es nicht!

Es gibt allerdings unzählige Versuche, Gefühle aus einer Bindung zur Religion heraus zu interpretieren.

Die gerade wieder aktualisierte Rede von „verletzten religiösen Gefühlen“ ist deshalb der Versuch, für und von Religionen Freiräume einzufordern, die Gefühle ihrer Anhänger zu besiedeln und sich dabei vor Widerspruch zu schützen.

Die Äußerung einer freien Meinung ist rücksichtslos gegenüber derartigen Instrumentalisierungen.

siehe auch

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Wer soll das bezahlen?

Eine alte karnevalistische Frage stellt sich auch angesichts unüberschaubarer Atomabfälle.
Der Tagesspiegel möchte von ihren Lesern gern wissen: Wer soll das bezahlen?
Mir fällt das ein:

Wir werden den Atommüll Jahrtausende mit uns herumtragen, weil unsere Endlagervorschläge dieser langfristigen Perspektive nicht folgen können.

Die Frage nach dem Kostenträger läßt sich auch nur für wenige Jahre beantworten und ist ebenfalls immer wieder neu zu stellen. Die Politikerhaftung ist problematisch. Die Energieunternehmen sollten zahlen, werden sich aber nach dem Badbankmodell schnell aus der Verantwortung stehlen. Zum Schluss wird der Steuerzahler sich selbst schützen und arm rechnen. Der Atommüll landet final vagabundierend auf den Weltmeeren in der Nachbarschaft zu den Flüchtlingsschiffen unter ständiger Beobachtung der Meerestiere.