Die Jahreszeiten und die Osterformel

Ich habe mich ja schon vollkommen zu Recht künstlich aufgeregt, wenn es um den Beginn der Jahreszeiten geht. Noch mal kurz: Frühling und Herbst beginnen, an den Tagen an denen Tag und Nacht gleich lang sind. Der Sommer beginnt am längsten Tag und der Winter an der längsten Nacht. Die Meteorologen meinen, den Beginn der Jahreszeiten auf den jeweiligen ersten Tag des jeweiligen Monats legen zu dürfen. Das ist falsch – total falsch(!) – und spiegelt nur die antiquierte Statistik dieser Experten, die angeblich nur monatsweise errechnet und fortgeschrieben werden kann.

Aber aufgemerkt! Ich habe nun noch einen dritten Jahreszeitenbeginn, der aber nur für den Frühling gilt. Es ist der katholische Frühlingsbeginn, in dieser Gegend hier für die Westkirche. Der wird zur Berechnung des Osterfestes und weiterer nachfolgender Festtage benötigt. Dieser Frühlingsbeginn ist erst einmal unverrückbar der 21. März, auch wenn der Kalender zum Beispiel in Schaltjahren ein anderes Datum vorgibt. Man nimmt dann den nächstfolgenden Vollmond und am dann nächstfolgenden Sonntag ist Ostern. Wenn man die Ostkirche und Besonderheiten bestimmter Länder und Kalenderformate mit berücksichtigt und die vorherrschenden Berechnungsmethoden unterschiedlicher Mathematiker, dann will der oberflächlich osterinteressierte Mensch schon nicht mehr mitdenken wollen. Er guckt nur noch in den richtigen Kalender. Abweichende Berechnungsbesonderheiten evangelischer Art sind mir unbekannt.

Ostergebäck: Hefezopf mit Hase

Seit meiner Kindheit ist das für mich trotzdem alles sehr einfach und sogar ohne Kalender zu bewerkstelligen: Wenn Schnee fällt, dann ist Winter – meine Lieblingsjahreszeit. Im einem zeitlich vorgegebenen Tagesablauf, der ja für viele Menschen gilt, gibt es aber zwei weitere jahreszeitlich bedingte Stichtage, die uns nicht unbeeindruckt lassen. Das ist zum einen der Tag, an dem man keine Beleuchtung mehr braucht, wenn man morgens aufsteht und der Tag, an dem man dann wieder ohne Beleuchtung nicht mehr aus dem Bett steigen mag. Allerdings bringt die konventionelle Uhrumstellung zweimal im Jahr alles durcheinander. Sie ist der mißglückte Versuch, die Abläufe der Planeten mit einem primitiven Toolkit menschennützlich auszutricksen.

Ohne Jahreszeiten wäre das Leben sehr viel langweiliger. Wir hätten vermutlich nicht einmal so fragwürdige Erfindungen wie den Laubbläser und die Übergangskleidung.

Das Familienfoto im Laufe der Zeit (ohne Foto)

Es gibt ein Foto der Familie meiner Oma. Sie war die Jüngste von ziemlich vielen Kindern. Das Foto ist noch im 19. Jahrhundert entstanden. Ich habe das Foto nicht, es ist aber fest in der Erinnerung gespeichert.

Alle Familienmitglieder sind auf dem Foto außergewöhnlich adrett angezogen. Die Mädels sind fein frisiert. Einige der Jungen haben Tennisschläger in der Hand. Auf meine Frage, ob die denn Tennis gespielt haben, sagte mir meine Oma, dass das nicht so war.

Vielmehr gehörte es zur Ausstattung aller Fotografen zu jener Zeit, Accessoires der gehobenen Freizeitaktivitäten vorzuhalten und auf solchen Fotos zu platzieren und damit zu inszenieren. Dabei wurde wohl nicht gefragt, ob die Dekorierten das haben wollten oder damit etwas anzufangen wussten. 

Von Familie zu Familie ist mit solchen Fotos kaum zu entscheiden, welchen sozialen Status eine Familie einnimmt. Alle sind in ihrem Status stark angehoben, ziemlich ernst und irgendwie wohlsituiert.

Für die Babys hatte der Fotograf selbstverständlich als Unterlage auch ein Bärenfell dabei.

Ich habe einmal ein vergleichbares Foto der damaligen Familie des deutschen Kaisers gesehen. Das war kaum anders. Selbst die Tennisschläger waren im Einsatz. Aber im Vordergrund lagen vier Tennisbälle wie zufällig herum. Es gibt die Geschichte, dass bei Kaisers damals tatsächlich Tennis gespielt wurde. Das Bild selbst taugt aber als Beleg nicht.

Verbegrifflichung

• Heute: Totholz •

Nehmen wir einfach mal den Baum. 

Solange Wurzelwerk und Krone, vermittelt über den Stamm, zusammenspielen, ist der Baum ein Lebewesen. Wenn das Ende naht, naht auch die posthume Verwertung. Aus dem Baum wird meist Holz, ein nachhaltiger Rohstoff. In dem Begriff Holz ist der Tod des Baumes immer direkt mitgedacht. Man kann mit dem Holz bauen und gestalten, man kann es aber auch einfach unberührt lassen. Dann nimmt es sofort seine Rolle im Kreislauf des Lebens an- wie in einem Urwald. Erst das Eigentum des Menschen an einem Baum macht den Baum vermarktbar. Der Mensch tendiert deshalb dazu, ihn nicht achtlos sich selbst zu überlassen und auf seine Vermarktung zu verzichten, wenn er tot ist. 

Dass ein Baum tot ist, das kann man schon sagen. Totholz gibt es aber eigentlich nicht. Wenn das Holz lebt, heißt es Baum. Wenn der Baum tot ist, heißt er Holz. Dies aber auch nur deshalb, weil seine Verwertung von Alters her zur Debatte steht. Das Wort Totholz steht meist für eine gespielte Fachlichkeit dessen, der davon spricht. Man braucht es eigentlich nicht.

Es ist darüber hinaus schon lange eine Unsitte, Adjektive in Substantiven zu verbauen. Sie sind meist überflüssig, vor allem, wenn sie den Sinn des Substantivs nur verdoppeln. Sind sie einmal nicht überflüssig, hebt man ihre Bedeutung, in dem man ihnen zubilligt, als separiertes Adjektiv in Erscheinung zu treten. Man sagt dann: Der Baum ist tot. Der Baum war schön. Das Holz ist nützlich. – Kurz und bündig, aber wohl zu lang für eine Schlagzeile.

Memes ohne Weisheit

Unweigerlich lesen wir Memes. Sie gehören zur Netzkultur. Wir lesen sie, weil sie griffig kurz sind und unmittelbar die Essenz scharfer Gedanken versprechen. Abstracts zu Fachbüchern haben den gleichen Zweck, sind aber doch länger und an den Ursprungstext zurückgebunden. Und siehaben sich vor und neben dem Internet etabliert. Sie können auch etwas schlecht sein, aber eben nicht so sehr wie es Memes sein können.

Manchmal sind Memes Zitate und weisen damit den Weg der Erkenntnis hinter dem Zitat. Viele Zitate haben aber einen unbekannten Autor. (Einen Autor haben sie ja immer.) Meist ist der Autor genannt, aber dann selten belegt.  Zum Großteil sind diese Memes Fälschungen. Man liest ja gern zweimal, wenn beispielsweise Albert Einstein zitiert sein soll. Legendär sind gerade eben die Zitate von Einstein. Sie stimmen fast nie. Sie werden ihm nur großzügig in den Mund gelegt.

Ich habe gerade ein beliebiges Zitat zur „Seelenpflege“, einer beliebte Memekategorie. 

„Glücklich ist nicht der, der alles hat,
was er will, sondern der,
der zu schätzen weiss, was er hat.“
Autor unbekannt
Sprüche für die Seele 

Ich kommentiere den Text kurz, um ihn ins Licht zu zerren:
Da wollen wir erst einmal beide Protagonisten fragen, den Reichen und den Armen im materiellen Sinn.
Solche Sprüche kommen aus der Zeit, als man eine weit verbreitete und ungerecht verteilte Armut zum Lebensideal gemacht hat, damit die Reichen und die Armen auf unterschiedliche Weise zufrieden waren. Der Arme freute sich an dem, was ihm geblieben war. Der Reiche freute sich, dass ihm der Arme nicht auf der Tasche lag und seinen Reichtum in Frage stellte und er genoss die Annehmlichkeiten seines Reichtums.

Solche Memes verstopfen nur die Kommunikationskanäle, seitdem sich viele, dank der freiheitsgewährenden technischen Entwicklung, aufgefordert fühlen, ihre eigenen Programmdirektoren zu sein.

Ich schreibe meine Memes selbst und beziehe meine Aufmerksamkeitswendungen aus meinem Leben, auch vom Hörensagen.

Nach dem Abzug Britischer Streitkräfte

Es gibt Orte, an denen nach dem Krieg und dann mit der Planung der NATO sich britische Soldaten und ihre Familien in eigenen Ortsteilen angesiedelt haben. Vor allem im letzten Jahrzehnt wurden viele dieser Siedlungen leergezogen und für eine künftige Verwertung an die Kommunen weitergegeben. Wenn die Presse darüber berichtet, steht in der Schlagzeile meist etwas von Britenhäusern. Es sind ja eigentlich keine Häuser, die einen besonderen Namen oder eine besondere Gestaltung haben, eben nur eine besondere Vergangenheit. Sie rotten meist vor sich hin und sind in ihrer Siedlungsanordnung auch gern Anlaufstelle für Kleinkriminelle und Neovandalen, weil die soziale Infrastruktur fehlt. In den Schlagzeilen wird aus der Erzählung dann schnell ein Britenhaus, also mit einem Substantiv belegt, das es in der Allgemeinsprache nicht gibt und das deshalb nur Leute einordnen können, die irgendwie mit diesen Häusern befasst sind.

Man darf sogar Teile der Sprache oder sogar auch ganze Sprachen neu erfinden. Das Problem dabei ist die Allgemeinverständlichkeit. Die bleibt dabei schnell auf der Strecke. Es gibt allerdings Fachsprachen, die einen begrenzten Kreis von Sprechern haben – etwa Mediziner, Juristen – und speziell für diese Nutzer besonders präzise sind um den Preis, in der Allgemeinsprache eher unverständlich zu sein. Nun kann es so sein, dass sich in einem kleinen Wohnbereich oder auch einem kleinen Bereich der Politik ein Jargon als Fachsprache etabliert, der dann allerdings eben auch in der Allgemeinsprache unverständlich bleibt. Im DWDS  – dem gültigen  deutschen Wörterbuch – ist „Britenhaus“ nicht verzeichnet. Es wird offenbar auch nur in Zeitungsüberschriften genutzt, in denen aus Platzgründen immer mal wieder geschrumpfte Begriffe ausprobiert werden und das dann wohl nur in Kommunen, die leergezogene britische Siedlungen einer neuen Nutzung zuführen wollen.

Irgendwie niveauvolle Medien nutzen solche Begriffe jedenfalls nicht.

Zwischen Leben und Tod

Der Mangel an Parkplätzen in der Innenstadt hat viele Vorteile. Bei einem Spaziergang zu meinem eigentlichen Ziel habe ich heute wegweisende Aufnahmen gemacht.

Noch relativ frisch geduscht warte ich gerade auf eine Untersuchung …

Etwas später: Das Ergebnis ist hervorragend gut.

Ich schreibe das nur, weil das ganze Leben dazwischen stattfindet – ebenso wie in jedem Film, der  immer genau zwischen den Bildern abläuft …
[in memoriam Werner Nekes]

Brüderlein trink

Kürzlich waren wir zu viert im Liedberger Landgasthof zum Essen, Trinken und zum gepflegten Gespräch. Ich habe Malzbier getrunken, was ich immer sehr gern mag, auch wenn ich noch fahren muss. Nach dem ersten Fläschchen habe ich dann noch ein zweites bestellt, um mich bei der Gelegenheit dem freundlichen Personal gegenüber als Malzbiersommelier vorzustellen und dann Folgendes vorzutragen: Das Malzbier der ortsansässigen Brauerei  Bolten schmeckt um Länger intensiv malziger als die  leicht bräunliche und wässerige Lösung der Marke Kandi. Da war das Personal mit mir sogar einer Meinung. Da stellt sich die Frage, warum ich – was das Malzbier betrifft – kein erstklassiges Produkt bekomme, obwohl ich es erwarten können müsste. Ich habe da nicht so sehr weitergefragt, weil der Malztrunk an diesem Abend eine Nebensache bleiben sollte.

Ich weiß aber, dass gastronomische Betriebe seit alters Verträge mit Brauereien aushandeln müssen, bei denen es nicht selten um die Existenz des Gastronomen geht. Oft ist die Brauerei auch der Eigentümer des Lokals und kann weitgehend sogar diktieren, in welchem Spielraum etwas verdient werden darf. Aber auch sonst geht es in den Verträgen um Preise, Kredite, Mindestmengen, ein vollständiges Getränkesortiment, Teile der Inneneinrichtung und unverzichtbare Werbemittel wie Gläser und Sonnenschirme und die Erlaubnis, vielleicht noch Getränke anzubieten, die mit den Brauereiprodukten konkurrieren.

Und so muss ich dann das oberflächliche und schlechte Malzbier aus dem Bitburgerkonzern trinken, weil es mit der ortsansässige Brauerei aus Gründen keinen Vertrag gibt.

Mir war es trotzdem ein gemütlicher Abend.

Ganz nebenbei: Der Bitburgerkonzern ist mir letztens schon einmal unangenehm aufgefallen: In einem Getränkemarkt gab es einmal ein vorzügliches Eifeler Landbier der eher kleinen Gemündener Brauerei. Plötzlich stand an gleicher Stelle ein Produkt der Bitburger Brauerei, ein Eifelbräu Helles Landbier. Die Aufmachung war zum verwechseln ähnlich, die Farben des Etiketts und die Schrift  waren nicht zu unterscheiden, zumal man beide Produkte nicht einmal nebeneinander sehen konnte. Bitburger stand auch nur ganz klein auf den Etikett. Und wie es der Teufel will, musste auch ich erst schmecken, dass ich das falsche Bier nach Hause getragen hatte. Es schmeckte deutlich weniger gut als das, was es nun nicht mehr gab. Die Frage nach dem einen Bier wurde im Getränkemarkt stets mit einem Hinweis auf das andere Bier beantwortet.

Ich vermute auch dort einen sehr überwältigenden Machtzirkel, der den Getränkehändlern zu schaffen macht: Wenn sie auf ein gehandeltes Premiumprodukt wie Bitburger nicht ganz verzichten können, müssen sie auch dort die ganze Produktpalette bieten und gegebenenfalls auch auf bestimmte Konkurrenzprodukte verzichten.

Es kann sein, dass wir Bitburger gut finden, weil besseres Bier nicht mehr gehandelt wird. Unser Geschmacksvermögen wäre dann überflüssig und würde unweigerlich das Handtuch werfen.

Me and my Selfie

Die meisten Erfindungen werden ja mehrmals gemacht. Da spielt es keine Rolle, wer der Erste war, zumal das nur zu Streitereien führt, wenn man behauptet der Erste gewesen zu sein.

Leider gehöre ich auch dazu. _ Ich habe das Selfie erfunden!

Hier mein Beweisfoto mit meiner ersten Langspielplatte „The freewheelin` Bob Dylan“ im elterlichen Wohnzimmer im Jahr 1964 … Mittlerweile habe ich die Platte für Archivzwecke weitervererbt und höre digital – und fotografiere digital.

Cool …

Meine rote Liste

Ich bin immer schon ein Freund von Kunst und Kultur.

Aber muss ich es mir gefallen lassen, dass ein bestimmtes Theater – das ich immer wieder gern besuche – für sich das ins Spiel bringt, was ich eines Tages zu vererben haben werde und das so als kleine Anregung rüberbringt?

Das Vererben ist ja eine ganz persönliche Sache, also eine freie Willensentscheidung ohne wenn und aber. Für ein Testament sollte auch eigentlich niemand die Marketingabteilung eines Theaters kontaktieren.

Ich wehre tagtäglich angeblich innovative Neuentwicklungen ab, die mir Gesundheit, Schönheit, Erlebnisse, Knabbereien und den ultimativen Kick gegen Geld versprechen. Hinzu kommen alle möglichen, oft auch international agierenden Caremaschinen, die bei mir mit Gründen etwas abschöpfen wollen. Dies nicht nur zur Weihnachtszeit. Die Abwehr dieses übergriffigen Marktgeschehens ermüdet mich, weil es sich fortsetzt und kaum gestoppt werden kann. Ich sollte eine rote Liste führen. Letztens wollte mir gar zu meinem Glück jemand gegen lebenslanges Wohnrecht irgendein Haus abschwatzen.

Und nun reiht sich auch das Theater ein. Sie sollen dort wissen: Ich erwarte Respekt bis zum Tod und mag keine verstohlenen Blicke auf meine Geldbörse – bei aller Großzügigkeit.