Über den Witz im Karneval

Was ist schon
karnevalistisches Tanzen,
ohne Mariechenwerfen?

Das Jahrhundert des Witzes überlappt sich mit dem Jahrhundert des Kindes und löst es ab.
Der Karneval ist derart expandiert und hat den Witz zudem so stark in den Vordergrund gerückt, dass das Reservoir an Witzen immer knapper wird. Das einfache Sammeln und Weitererzählen der Witze reicht schon lange nicht mehr. Professionelle Witzmanufakturen mussten her.

Früher wechselten gute Büttenredner in das komische Fach als Comedians oder Kabarettisten. Heute sind gute Büttenredner fast ausgestorben. Bestenfalls kultivieren die abtrünnigen und aufgestiegenen Humorspezialisten den alternativen Karneval als zweites Standbein, nicht jedoch den Standardkarneval. Die meisten Humorspezialisten etablieren sich als autonome Kulturschaffende an wechselnden Spielorten oder in den Medien, die mittlerweile und mit Erfolg ganze Thinktanks, also Witzfabriken, betreiben.

Der Sitzungskarneval verflacht also immer mehr und muss sich schließlich als Publikumsmagneten den einen oder anderen Berufshumoristen einkaufen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Von den eingekauften Highlights abgesehen, ist der Karneval also auch aus Mangel an Witzen verflacht. Das macht aber nichts, weil der Karneval derart volkstümlich in Erscheinung tritt, dass er keine unteren Qualitätsgrenzen vorhält und jede Kritik als karnevalsunwürdig und elitär beiseite schiebt. Karneval ist unterschiedslos für alle da. Das Privileg der Kunst – „Der Künstler darf alles!“ – gilt ja richtigerweise auch für den Karneval. Aber die Kunstkritik müsste selbstverständlich auch dazu gehören. Das tut sie aber nicht!

Als unlängst ein eingekaufter Witzerzähler namens Stelter das Dilemma der Karnevalswitze vorführte und den komplexen Doppelnamen einer bekannten Politikerin ohne Erfolgsaussicht zum Witz verarbeitete, hat tatsächlich eine couragierte Sitzungsbesucherin den Witz und seinen Erzähler entlarvt. Der Witz war schlecht und zudem übergriffig inszeniert. Stelter stellte fest, dass er ja nur Witze macht … Klar! Ohne diese Sitzungsbesucherin, wäre alles wie geplant gelaufen, also ohne Kritik.

Nur wenige Tage später ist die von ihm vorgeführte Politikerin selbst in die Bütt gegangen. So ein Politiker ist übrigens eine eher kostengünstige Variante, so eine Karnevalssitzung zu pimpen. Ganze Bataillone von Politikern warten Jahr für Jahr auf Karnevalsorden, die nicht jeder hat.

Diese Politikerin – Frau Kamp-Karrenbauer von der CDU – hat dann vorgetragen, dass das dritte Klo für die Menschen da ist, die sich nicht entscheiden können, ob sie im stehen oder im sitzen pinkeln. Das war karnevalsgerecht und es wurde gelacht. Das war aber ebenfalls auch ein schlechter Witz, der zudem übergriffig und verunglimpfend war.

Ich rate dazu, den Karneval immer nur soweit zu treiben, dass die Anbieter guter Witze auch wirklich noch mit der Produktion nachkommen. Eine Welt von Witzeschreibern wäre der blanke Horror! – Und verbrauchte Witze müssen gnadenlos in die Wiederaufbereitung.