Der scharfe Freitag

Nachdem der Koch Björn Freitag in einer seiner zahlreichen alltagsnah konzipierten Kochsendungen davor gewarnt hat, die Pfeffermühle zwischendurch auch mal rückwärts zu drehen, weil sie dabei angeblich kaputt geht, glaube ich dem kein Wort mehr. Die Pfeffermühle geht davon selbstverständlich nicht kaputt! Es bleibt also nur eine bedeutungsmächtige und drohwarnende Allüre, die der Koch besserwisserisch inszeniert, weil er wohl nichts Besseres zu bieten hat. Und der WDR träumt als zuständiger Sender einfach mal an den lecker eingebundenen Fakenews vorbei und ergötzt sich mutmaßlich zum wiederholten Mal an wachsweich gekochten Eiern, die obenauf liegen und allererst mit dem Essbesteck angestochen werden, um in einem Erguss sämtliche Pfefferpartikel bei aller Frische zu umschmeicheln.
Verstehst du das?

Lügen kann vorteilhaft sein

Politiker, die lügen, sind schwer gelitten. Dabei ist weder im Alltag, noch auf den Bühnen der Welt das Lügen verboten. Im Bereich der sprachlich dargebotenen Kleinkunst ist das Lügen gang und gäbe. Viele Kleinkunstprogramme bauen auf Lügen, oder besser gesagt, auf einer phantasiegeladenen Neuinterpretation ausgesuchter Vorkommnisse. Wenn also der Präsidentschaftskandidat Trump in den USA sagt, dass in Springfield (Ohio) die Flüchtlinge aus Haiti den Bewohnern ihre Hunde und Katzen wegessen, merkt man ja sofort, dass ein solcher „Fakt“ nicht dazu da ist, im beliebten Faktencheck überprüft zu werden. Er wird sofort als Phantasiegeschichte interpretiert, die eine gefühlte Wahrheit bildreich vermitteln soll. Und so ist es auch. Der gut entwickelte Mensch lacht sich schlapp und der sozial wie materiell abgehängte Zeitgenosse fürchtet um den letzten Hund, der ihm geblieben ist. In der Politik sind diese Räuberpistolen sehr beliebt. Man fordert Dinge, die gar nicht möglich sind und strickt dann – wie im Stegreiftheater – Geschichten, die es als geradezu unabdingbar hinstellen. Die Vorschiebefigur der CDU, namens Merz, hat es  beispielsweise besonders gut drauf, im Brustton der Überzeugung Räuberpistolen zu konstruieren, die der Grundlage entbehren und trotz allen Widerspruchs, sogar wegen des Widerspruchs aus Politik und Wissenschaft, große Anerkennung finden. Solcherlei Populismus mag zwar an den Rändern des politischen Spektrums begonnen haben, salonfähig wird er aber dort, wo Besitzstände verteidigt werden, nämlich in der Mitte. An den Rändern des politischen Spektrums bleibt zumindest die Möglichkeit, mit Innovationen zu überzeugen – wenn sich denn nun jemand überzeugen lässt.

Der kleine Donny geht zum Beginn des Schultags zu seiner Lehrerin und sagt betroffen: Mein Hund hat meine Hausaufgaben aufgefressen und dann kam ein Ausländer und hat meinen Hund aufgefressen. – Ich habe das einmal aus einem gerade kursierenden Comic nacherzählt.

Mein Olympia IV: • Über den Reporter •

Während der klassische Rundfunkreporter in der gebotenen Geschwindigkeit alles in Sprache übersetzt hat, was er gesehen hat, führte das mitgelieferte Bild der audiovisuellen Medien vierzig Jahre später zu einer gewissen Verkommenheit in der Reporterpraxis, die ratlos macht. Man konnte ja nicht über etwas berichten, was jedermann viel besser im Bild selbst sehen konnte. Die ehemals hoch geschätzten Fußballreporter befanden sich zwischenzeitlich in einer Situation, in der sie stoisch etwa die Namen der ballführenden Spieler von vorn bis hinten emotionslos aneinander reihten.  Sprachinnovationen blieben in dieser Zeit bescheiden: „Er schlenzt das Leder!“. Mit zunehmender Qualität der Bilder war auch das Sprechen selbst weitgehend überflüssig. Fortan veranstalteten die Reporter jeweils eigene Huckepackshows und verknüpften erwartende Bilder mit gut recherchierten oder hilfreich fantasierten Hintergrundberichten und Fachsprachenschnipseln. Das brachte Hinweise hervor, dass der Protagonist im Bild bestimmt an seine Oma denkt, die auf dem heimischen Sofa mitfiebert und dass Geld keine Tore schießt.  Die argentinische Rückhand lag oft in der Luft. Solange es eine gedankliche Brücke zum Bild gab, war möglicherweise alles erlaubt, was den Zuschauer veranlasst, nicht abzuschalten. 

Es gibt heutzutage Reporter, die bereits jede Andeutung von Gefühlen in ein emotionales Drama übersetzen, das die ganze Welt mittels vorgeführter weinerlicher Schnappatmung in Schwingung versetzt und beispielsweise, das innigste Verhältnis von Reiter und Pferd in der aristokratischen Dressur zum Thema hat. Die Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Bild macht sich breit. Das gesprochen Wort schickt sich an, die Bilder zu überlagern. Der Lucky Punch wird jetzt am Ende jedes Sportwettbewerbs vom Reporter ins Spiel gebracht. Und schließlich darf man rücksichtslos sagen, was man will, ohne dass die Bilder mitkommen. Man sagt dann beispielsweise, dass die Marathonläuferin gerade schwer zu kämpfen hat. Das Ergebnis sind immer mehr aus der Reporternot geborene Fakenews. Irgendwann können die Bildhersteller auch nicht mehr liefern, was die Reporter vorsprechen. Es wird am Ende mit reinen Symbolen bebilderte Hörspiele mit Zwischenexplosioneninszenierungen im Schwimmbecken geben. Die schnöde Wirklichkeit bleibt eine abgedunkelte Kulisse in der Abstellkammer. Bei der naiven Beobachtung bleibt das Glück, dass endlich jeder sagen kann, was er will, auch wenn es unerheblich ist. Dass Fakenews glücklich machen, ist unwahr. Es lässt sich aber empirisch belegen, etwa die „Emotionalexplosion am Eiffelturm“ (Zitat aus der ZDF-Berichterstattung am 3. 8. 2024)

Fakenewsig

Ein Minister der CDU schließt sich der vermeintlichen Erkenntnis der AfD an, die Tagesschau würde die Wetterkarte zunehmend rot darstellen, um die Klimakatastrophe zu dramatisieren und auch noch die typische Farbe der SPD und der Linken hervorzuheben.

Man muss gelernt haben, zu versuchen, sich irgendwie aufdrängende Hypothesen zu widerlegen, um zu Erkenntnissen zu kommen. Wenn man nur Bestätigungen sucht, dann bleibt man dumm.

Der Minister und seine Vasallen werden das offenbar nicht gelernt haben, denn sonst hätten sie die Hypothese, dass auf der Wetterkarte alles immer roter wird, lediglich beiseite gelegt.

Eine Nachfrage bei der Tagesschau hätte auch gereicht. Das Farbschema folgt nämlich den Jahreszeiten, um mit den Farben die Temperaturen hinreichend differenzieren zu können. Sehr warm ist also sehr rot. Das ist ja auch in der Hölle so. Was aber im Winter sehr warm ist, wird im Sommer oft als sehr kalt bezeichnet. Wenn der geneigte AfD-ler eine alte Sommerwetterkarte mit hohen Temperaturen nimmt und eine aktuelle Winterwetterkarte mit weitaus geringeren Temperaturen daneben legt, dann erscheint es ihm so, als sei der neue Winter der alte Sommer.

Das ist der Stoff, aus dem Fakenews sind. Und schon kommt die Wetterkarte vom politischen Widersacher.

Heimtücke ist derart unbeliebt

Was im kalten Krieg an der Tagesordnung war, tritt jetzt seltener in Erscheinung. Das liegt wohl daran, dass der Krieg nicht mehr so kalt ist und dass die Gimmicks der Geheimdienste so stark verbessert worden sind, dass sie offensichtlich nur noch über James Bond in die Öffentlichkeit gelangen, — um nicht große Teile der Bevölkerung zu verunsichern.

Deshalb ist die aktuelle, geheimnisvolle Vergiftung eines umgedrehten Exagenten mit Kollateralschaden ein Ereignis, das aufhorchen lässt. Die Reaktionen darauf sind aber nicht weiterentwickelt. Es ist genau wie damals: Es werden einige Diplomaten, die oft auch Agenten sind, ausgewiesen. Im Gegenzug, werden von der Gegenseite ebenfalls einige Diplomaten ausgewiesen, die meist ebenfalls Agenten sind. Das Arsenal der Geheimdienste im Auslandseinsatz wird dann schließlich über die Jahre wieder stillschweigend aufgefüllt und der Handel mit Geheimnissen wird als obskure Friedensgarantie weiter gepflegt. Für diese traditionelle Gepflogenheit wurde sogar einmal eine internationale Rechtsnorm verabredet. Es ist ein Ritual, das im Grunde nichts bewirkt. Anschuldigungen und Zurückweisungen der Anschuldigungen bleiben unbearbeitet nebeneinander stehen.

Eigentlich gibt es also nur dann mit viel Glück etwas zu berichten, wenn die Sache nach Jahrzehnten politisch uninteressant geworden ist und die Presse es trotzdem nicht vergisst.

Ich finde das Ritual einschläfernd. Ich werde aber hellhörig, wenn das angeblich sündhaft teure Nervengifte als neuester Schrei und Speerspitze der Geheimdienste bezeichnet wird. Denn andere Geheimdienste tragen in die Öffentlichkeit, dass es sich in Wahrheit um ein Auslaufmodell zur Tötung handelt. Man würde es bereits daran erkennen, dass es ja sofort entdeckt wurde und möglicherweise auch noch enttarnt wird. Wirklich moderne Waffen würden überhaupt keine Spuren hinterlassen. — Wenn dem so wäre, dann könnten auch die besten Freunde die ärgsten Feinde sein, weil sie reihenweise morden, ohne dass es auffällt. Aber vielleicht stimmt das ja auch gar nicht. Geheimdienst sind meisterhaft darin, falsche Spuren zu legen.

Die politische Entrüstung dominiert im Moment die wissenschaftlich fundierte Beweisführung. Sachlogisch würde aber die Entrüstung der Beweisführung folgen. Man riskiert also, wenn man irgendwann Beweisen folgen kann, eine Entschuldigung und eine Rückabwicklung aller Ausweisungen von Diplomaten. Damit es soweit aber nicht kommt, wird auch das Beweisverfahren mit etlichen Details erschwert. Was ist denn, wenn – wie zu lese war – nun die Giftformel bereits im Internet für jeden verfügbar zu kopieren war und das ursprüngliche Gift aus Russland anderswo nachgebaut und dann eingesetzt wurde, um den kalten Krieg etwas anzuheizen? – Was ist denn, wenn Kriminelle mit Restbeständen des Gifts nur Geschäfte gemacht haben, weil auf dem Geheimdienstflohmarkt alles seinen Preis hat? –

Es ist damit zu rechnen, dass die ehrlichen Aufklärer der Wissenschaft stets ein kleines bißchen dominiert werden oder doch zumindest der Beweis so durchlöchert wird, dass er nur als Glaubenssache überdauern kann. Damit sind wir wieder bei den Fakenews und ihren alternativen Wahrheiten. — „Und nun die aktuellen Nachrichten …‟

Fakenews 0.9

Die seriösen Zeitungen haben allesamt ein Onlinederivat, um auf allen Kanälen mitzuspielen. Die Berichterstattung muß dabei unmittelbar erfolgen, also am besten gleichzeitig mit dem Ereignis, über das es zu berichten gilt. Denn nur der erste gewinnt, Leser, Zuschauer, Werbung und Fame und sonst noch was.

Dabei passieren dann allerdings merkwürdige Dinge. Die Rechtschreibfehler steigen rasant an. Schlechte und unbedeutende Texte überlagern das gewohnte journalistische Niveau. Zweit- und Drittverwerter kochen am Rande des Journalismus meinungsgeprägte Sonderanrichtungen.

Es wundert also nicht, wenn heute Spiegelonline zunächst meldete, das Bundesverfassungsgericht habe die NPD verboten, obwohl das Gegenteil der Fall war. Die Redaktion war merklich betroffen und will aus der Erfahrung lernen. Es ist zu bezweifeln, ob das in aller Schnelle möglich sein wird.

Das ganze Konglomerat ist also ganz schön verfakenewed, obwohl die Absicht der Irreführung noch gar nicht voll entwickelt ist.