Hinz und Kunz

Nadja Müller kennen sie nicht? Es ist die Frau vom Eishockeynationalspieler Moritz Müller. Sie regte sich während der Olympischen Spiele in Peking (auf Focus) fürchterlich auf, weil das ZDF mitten im Eishockeyspiel auf Rodeln umschaltet. Jetzt mag sie das ZDF überhaupt nicht mehr. 

Während sich Frau Müller aufregt, regt sich anderenorts auch Herr Meier auf. Er guckt auch das ZDF und sieht, wie auf dem Eis Bodychecks gegen das Leben das Spiel offenbar nicht stören. Er ist Humanist und möchte so etwas nicht. Zudem meint er, hat es der Eishockeyzirkus bis heute nicht vollbracht, den Puck fernsehgerecht, also groß, bunt und leuchtend zu gestalten und insgesamt so langsam zu spielen, dass er vor dem Fernseher das Spiel auch wirklich verfolgen kann. Er nickt ein und wird erst wieder hellwach, als die Rodler zwischen Start und Ziel einwandfreie Leistungen bringen.

Heute – einen Tag später – ist er erstaunt, dass Frau Müller es bis in die Berichterstattung schafft und  offenbar nicht einmal weiß, dass heutzutage jeder sein eigener Programmdirektor ist und stets das guckt, was er wirklich sehen will. Solche Sportereignisse finden parallel statt und werden auch parallel verfügbar gehalten.

Herr Meier träumt nun von einer Heirat mit irgendeiner Goldheidi, damit er mit seiner qualifizierten Meinung auch einmal in die Zeitung kommt.

Hopp oder Flop

Dass im Spitzenfußball eigennützig Geldbeträge bewegt werden, deren Höhe jede Vorstellung sprengt, ist ein großes Thema in den Medien. Die dumpfen Fans mit Affengebrüll in einer Eliteverkleidung als Kutte oder unerkennbar sind einflusslos auf das, was Vereine mit Mäzenen, Konzernen und Scheichs so inszenieren. Fans in den Stadien haben weder die wirksame Sprache noch die Kommunikationskanäle, sich Gehör zu verschaffen. Ihre Sprache ist speziell für Stadien und die Welten rund um Stadien entwickelt. Dass diese Sprache gefährliche Elemente enthält die dann gern auch mal praktisch werden, zeigt die Polizeipräsenz an jedem Fußballwochenende. Und der Steuerzahler unterhält die Polizei ziemlich ärmlich, wenn man das Geld im Profikerngeschäft als Referenzgröße nimmt. Alles in allem darf man sich nicht beschweren, wenn die langjährig gezüchtete Fankultur so spricht, wie sie es mühsam gelernt hat. Allerdings ist die mediale Aufmerksamkeit diffus. Das, was die Fans zu sagen haben, bleibt irgendwie versteckt. Selbst im TV kann man nicht vollständig lesen, was die Fans da wirklich zu sagen haben. Es bleibt nur der Kommentar, Herr Hopp sei beleidigt worden. Es war lange Zeit zu hoffen, dass der Hype gesprochener und erlittener Beleidigungen abebbt. Die Zeiten der Ehre und der Ehrverletzungen sind ja auch weitgehend Geschichte. Duelle nach Ehrverletzungen finden nur noch verborgen oder im Dunstkreis entwicklungsgestörter Subkulturen statt. Es gibt kaum noch jemanden, der sich beleidigt fühlt, auch wenn ihm böse Sachen entgegen geschleudert werden. Insofern wundert es, dass man so einfach eine Beleidigung ausmacht. Das Beleidigtsein wird gar nicht erst abgefragt. Herr Hopp kann jederzeit Strafanzeige stellen. Aber offenbar sind die Akteuere der vermeintlichen Beleidigung in ihrer Fankultur unangreifbar sicher aufgehoben und tun dort, was sie gelernt haben. Impulse für eine bessere Fankultur kann man nicht ausmachen.

Ich meine, wir sollten das fragwürdige Gebilde Profifußball mit seinen Disfunktionalitäten allein lassen und sich anderen Sportarten zuwenden. Alle Probleme sind ja benannt und die gefragten Akteure sind bekannt, wie auch ihre Einbettung in den international desolaten Verbandsstrukturen. Konkurrenzverhältnisse begünstigen die Suche nach guten Lösungen. Das gilt nicht nur zwischen den Fußballvereinen, sondern auch zwischen den Sportarten. Biathlon ist doch ’ne tolle Sache – oder nicht?

Es ist ganz einfach: Wenn jemand zu mir sagt: „Ich fick deine Mutter!“, dann will er mich gehörig auf die Palme bringen. Über meine Mutter sagt er also nichts. Ein Gefühl, beleidigt zu sein, stellt sich bei mir auch nicht ein. So ähnlich ist das, wenn Herr Hopp in Fußballstadien als „Hurensohn“ tituliert wird. Es findet gerade eine große Bedeutungsverschiebung statt. Das hätte man sich ersparen können, wenn man rechtzeitig geredet hätte. Jetzt ändert man daran nur schwer etwa.

Zur Fußball WM 2018: Ein Tor ist ein Tor

 Die Fußballweltmeisterschaft lebt vom Hinten-dicht-machen und den vergeblichen Versuchen fast aller Torjäger und davon, dass die Opulenz des Ereignisses alle Beteiligten sichtbar überfordert. Ich habe deshalb zum Tagesgeschehen nach und nach viele Anmerkungen gemacht, die nur selten mit dem Wesenskern des Sports zu tun haben.

Ich verdichte hier mal meine verstreuten Miniaturen zum Ereignis.


Ich möchte gern als WM-Orakel arbeiten. Angebote als PN.


WATUTINKI heißt der Ort, in dem die deutsche Mannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft wohnt. Mich beschleicht die Ahnung, dass der Ort von Stefan Raab gegründet wurde, der deshalb dort nun Ehrenbürgermeister ist. Wir werden sehen …


Wenn der Torhüter den Ball beim ersten Zufassen nicht festhält, dann sagt so ein Reporter stets: „Leichte Unsicherheit!“ – Na gut, was soll er auch anders sagen? Vielleicht: „Oh, eine vermutlich entwicklungsbedingte motorische Störung! Deswegen musste er vor seiner Profilaufbahn auch seine Ausbildung zum Kellner abbrechen.“ – Ehrlich gesagt: Wenn man schon etwas sagen muss, dann gefällt mir die von mir ausgedachte Variante besser.


Wenn  der Schiedsrichter pfeift, dann ist das Spiel unterbrochen. Dann sagt der Reporter: „Das Spiel ist unterbrochen“.  – Na gut, was soll er auch anders sagen? Vielleicht: „Mehrere Spieler haben sich nach Hinweis an den Schiedsrichter in die Box gelegt, weil sie wollen, dass die Zeit ohne Fußballspiel vergeht, um ihr Geld möglichst angenehm zu verdienen.  – Ehrlich gesagt: Wenn man schon etwas sagen muss, dann gefällt mir die von mir ausgedachte Variante besser.


Bei Sport1 habe ich heute „So heiß sind Schwedens Spielerfrauen“ gelesen. Und dann kamen nur Bilder. Ich weiß echt nicht, was ich damit machen soll.


Nachdem der Fußballheld Kross festgestellt hat, dass so ein Spieler Eier haben muss, ergab sich in der WM-Home-TV-Scene sofort die Frage, mit welchen Körperteilen man eigentlich regelgerecht Tore schießen kann. 


Fußball ist nun doch mittlerweile ein Spiel intellektueller Geister. Das dürfte auch den Schöngeistern gefallen, wenn sie sich mal die Mühe machen würden. Ich habe an den Kommentaren von Frau Neumann nichts auszusetzen. Wenn man nicht abliest, passiert es allen anderen Kommentatoren auch, dass sie Vergleiche und Einschätzungen mitteilen, die sie gern im Nachhinein streichen würden. Vor 30 Jahren noch haben die Kommentatoren nur jeweils die Namen der ballführenden Spieler genannt, weil sie aus ihrer Position die Rückennummern lesen konnten und beim Tor die eingeübt Begeisterung gezeigt. Allein die Rundfunkreporter waren damals Stars. Auch wenn meistens das Leder zu häufig geschlenzt wurde. Aber das haben die Schöngeister ja nicht gehört.


Um in diesen Tagen der WM-Home-TV-Scene und den dort tätigen abermillionen Schiedsrichtern einmal einen neuen Impuls zu geben, habe ich heute während der Übertragung Eierlikör getrunken. Für die Nachspielzeit habe ich als Höhepunkt den in der Flasche verbleibenden Rest mit Limonade aufgemischt und getrunken. — Ich ging als Sieger vom Platz. Morgen reihe ich mich wieder ein und trinke Bier. Versprochen!


Ich habe mich schweren Herzens davon überzeugen lassen, dass Portugaller sich gegen Portugiesen nicht durchsetzen wird. Meinen Sprachgebrauch habe ich notgedrungen angepasst. Was haltet ihr eigentlich von den Senegiesen?


Heute gab es wieder eine 11-Meter-Entscheidung, die journalistisch so kommentiert wurde: „Das war nicht genug!“ – also genug des Fouls im Strafraum. Bisher war ich der Meinung, dass die Fußballregeln weitestgehend spielraumfrei sind, damit der Einfluss des Schiedsrichters auf das Spiel minimiert wird. Wenn es aber so ist, dass das Foul auf einer Scala einsortiert und dann auch noch eine Grenze bestimmt werden muss, wo auf der Scala das Foul beginnt, dann ist jeder Schiedsrichter überfordert, denn er hat gar keine Zeit, so eine Zuordnung vorzunehmen. Es bleibt also eine ziemlich beliebige Zufallsentscheidung, der man ganz einfach widersprechen kann. – Das ist doch recht merkwürdig in einer Zeit der Videobeweise.


Die deutsche Mannschaft wiederholt ihre Fehler aus den Vorbereitungsspielen. Die mexikanische Mannschaft kämpft, nutzt die Fehler und siegt verdient. Alle Akteure waren makellos frisiert! Aber woher kommt die Hoffnung, dass das nächste Spiel der Deutschen besser sein wird?


Renovierung der Fanmeile

Das Areal ist begrenzt. Man kann es wahlweise als Strecke oder Fläche mit zwei Stellen hinterm Komma vermessen und aus dem Ergebnis jeweils einen individuellen Namen ableiten, wahlweise in Kilometern oder traditionell in Meilen. 

Ich komme darauf, weil Kneipen neben Hochschulen mit Vorliebe Vierkommafünf heißen. — Geschafft!


Julian Brandt und Mats Hummels haben angeblich kein Tattoo.

Oh Gott, wenn das mal Schule macht!

Es wird sogar der Verdacht gehandelt, einer von beiden würde befürchten, mit einem Tattoo von der eigenen Mutter ermordet zu werden.

Es ist ein Graus mit der deutschen Fußballnationalmannschaft. Ein Kompromiss wäre doch ein Tattoo in der Achselhöhle für alle, das eine halbierte Zwiebel darstellt.


Ich träume von einem Film, für den das eine oder andere #Tattoo allein durch Körperbewegung animiert wird.

Ausgangspunkt für diese Idee ist das traditionelle Seemannstattoo mit dem Motiv der nackten Braut, die bei der Bizepsanspannung ihre Brüste hebt und danach wieder senkt. Das war immer schon großes Kino.

Mit guter Einkauspolitik käme es zu einem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft, das auch noch eine zweite, vollkommen andere Geschichte darüber erzählt, wie der Ball rollt.


Es ist höchst fragwürdig zu behaupten, der Sieg Deutschlands gegen Schweden anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2018 sei zustande gekommen, weil zuvor nach langer Zeit einmal wieder die Nationalhymne gemeinsam gesungen wurde. Die Hypothese ist zwar zulässig, erfordert aber eine höchst aufwendige Versuchsanordnung, um sie widerlegen zu können.

Ich vermute eher, dass die Mannschaft besser gespielt hat als der Gegner. Aus der Erforschung der Arbeitergesangvereine weiß man allerdings, dass gemeinsames Singen die Solidarität in einer Gruppe unterstützt, wenn man ein deutliches gemeinsames Ziel hat.


Deutschlandfahnen sind wider Erwarten über Nacht zum Ramsch verkommen. Wenn ich die jetzt in rauhen Mengen aufkaufe, kann ich doch … (vervollständige den Satz)


Ich fordere
den sofortigen
Rücktritt von
Sportminister Seehofer!


Heute hat mein Bäcker schon wieder kleine Brötchen gebacken. 

Ja, er ist auch Fan der deutschen Fußballnationalmannschaft.


Mein Nachbar sagt immer zu seinem Zahnarzt: „Geld spielt keine Rolle!“ — Es muss doch klar sein, dass auch das System Fußball mit so viel Geld verstopft ist, dass Geldstrafen immer sehr gern angenommen und beglichen werden.


In einem Interview der Welt am 5.7.  hat Herr Bierhoff entsetzlichen Mist erzählt. Daran zweifelt er selbst nicht. Er sagt, dass er und mehrere andere Verbandsvertreter beim Korrekturlesen nicht gemerkt haben, dass da gar nicht stand was er eigentlich sagen wollte. – Ich mag das nicht glauben!


„Man hätte vor der WM überlegen müssen, ob man auf Özil verzichtet, sagte der DFB-Manager gestern. Sogar Mesut Özil-Gegner kritisieren, dass Bierhoff jetzt so nachtritt.“ (Süddeutsche Zeitung)

Herr Bierhoff hätte wahrscheinlich unmittelbar vor der WM sagen sollen, dass aus gegebenem Anlass nur der Fußball zählt und sonst nichts, und dass man sich die Übeltäter Özil und Gündogan erst nach der WM vornehmen wird. – 

Aber wer würde so etwas sagen? 

Genau deshalb kartet Herr Bierhoff jetzt nach. Er wird sich das also nur so gedacht haben für den Fall, dass nicht alles eh im Freudentaumel untergeht und irgendwelche Gaucho als die Blöden verhöhnt werden können. – Man kann vermutlich nicht beides gleichzeitig haben, einen kritischen Umgang miteinander und eine zielgerichtete 11-Freunde-Ideologie sowie dann auch noch einen Sieg, der alles andere unbedeutend erscheinen lässt.


Erst meckert Nationalmannschaftsmanager Bierhoff und danach jetzt auch noch Fußballbundsvorsitzender Grindel am Fußballspieler Özil herum. Grindel stellt sogar die Forderung, Özil müsse sich nach seinem Urlaub irgendwie erklären. Damit ist der Urlaub dann wohl erst einmal gelaufen. Offenbar scheint dem DFB eine dämliche Rechtfertigung nach Gündogans Art aber auszureichen, denn der hat sich damit wohl vor der Kritik in Sicherheit gebracht. Warum sollte Özil sich erklären, wenn er bereits klar gemacht hat, dass er nichts sagen wird? Er könnte damit ja auch nur alles noch schlimmer machen. Der DFB wirkt wie so ein wildgewordener Manager fantasierter Ziele, der die Welt mit Parolen eindeckt und selbst nichts geregelt kriegt. Der DFB hätte sich vor der WM – durch wen auch immer – ohne wenn und aber, für oder auch gegen Özil (und Gündogan) aussprechen können. Das hat er aber nicht gemacht. Jetzt ist es zu spät. Man hat wohl nur noch im Repertoire den Deutschen raushängen lassen, der alles so viel besser weiß, dass er glaubt, sagen zu können, was für andere gut ist. Armselig … und so deutsch, dass ich es kaum hören mag.


Jetzt spricht Özil.
Er spricht über seinen Pressetermin mit dem designierten Sultan der Türkei, dem es recht war, sich als Sportversteher zu inszenieren. Ich hätte Özil nicht dazu geraten, denn es war mit einer Rechtfertigung zu rechnen. Und Rechtfertigungen machen einen nachgewiesenen Fehltritt nur noch schlimmer.
Wer sagt denn seit ewigen Zeiten, dass man Sport und Politik trennen müsse? Es sind die schwerreichen Sportfunktionäre, die über ihre Nähe zu Politik immer noch dazu verdienen. Und jedesmal behaupten sie, man würde dem Sport Schaden zufügen, wenn er in der Politik mitspielt. Im Fall öffentlich sichtbarer Kooperation mit den Despoten der Welt, behaupten sie sogar, der Sport könnte der mangelnden Demokratie hie und dort entgegenwirken.
Das ganze Trennungsparadigma ist ideologischer Art und glatt gelogen. Jeder Sportler und jede Sportfunktionärin muss sich wie jeder Bürger auch auf alle Wechselfälle des Lebens einlassen und dazu gehört auch die Politik. Ich weiß nicht, wie Herr Özil auf diese Trennkost gekommen ist. Hoffentlich nicht in der Übernahme einer x-fach vorgekauten Folie aus seiner Lebenswelt.
Es ist wie es ist: Wer sich mit einem Sultan zeigt, zeigt auch, dass er demokratische Lebensverhältnisse nicht so ernst nimmt. Er bleibt unter demokratischen Ansprüchen ein unnahbarer Risikofaktor. Er würde wohl mit allen Präsidenten der Welt in einem getrimmten Vorzeigeambiente huldigend posieren und möglicherweise das Klopfen aus den Kerkern im Keller überhören.

Nachtrag: Am Abend nach den Äußerungen tritt Özil aus der Nationalmannschaft zurück. – Ja, dann hätte er sich die Äußerungen auch sparen können. Sie hellen nichts auf.


Özil führt sein Drama „Rassismusgefühl“ über mehrere Stunden in drei Akten auf. Dies in englischer Sprache ohne Untertitel auf Twitter und mit millionenfachem Publikum. – Das macht doch nur ein exzentrischer Multimillionär, weil er es sich erlauben kann. Seine eigentlichen Adressaten warten ungeduldig auf die Übersetzung.
Ich hatte – wenn überhaupt – einen minimalen Poetry Slam in deutscher Sprache erwartet. So etwa: „Ich stand plötzlich unvermittelt neben Erdogan. Da hatte ich fürchterliche Angst, dass seine menschenverachtende Art auf mich und meine Familie abfärbt. Ich wollte weg laufen. Aber hätte ich damit nicht alles noch schlimmer gemacht? Nur weil ich mit zwei Herzen lebe, kann ich zum Glück das eine oder andere Herz mal hoch- oder runterfahren und solche Situationen heil überleben, auch wenn die Mehrzahl der Einherzigen und der Herzlosen dafür kein Verständnis hat. – Ich erwarte nun, dass das Publikum mein grandioses Herzspiel beklatscht. Was? — Ihr wollt nicht klatschen? — Ihr habt mich nicht verdient ihr … [kinskiesk improvisiert … tritt dann ab]“
Jetzt haben wir das Vielfache von dem zu lesen, was die Özil-Tweets hergeben. Überall sind fantasievolle Mutmaßungen über Täter und Opfer. Es lässt sich alles kaum auseinanderhalten. Am besten überlebt man wohl als ein Täter, der auch Opfer ist und es sich in der gut ausgebauten Opferrolle wirklich gemütlich einrichtet — bis draußen Frieden einkehrt.


Meine Freundin M. kommt in weiten Wochen in die Schule und kennt sich im Fanwesen insoweit aus, dass sie jetzt so frei ist, für Belgien zu sein. – Trotz allem: Sie bleibt dabei.

Unmaßgebliche Bemerkungen über das Foulspiel

Auch wenn wir es nicht mögen: Das Foul gehört existenziell zum Fußballspiel. Wenn sich also die Sportart weiterentwickelt, dann gilt das auch für die Fouls. Es erscheint dem naiven Betrachter so, dass Fouls nicht dazu gehören, weil sie ja grundsätzlich mit einem Freistoß der gegnerischen Mannschaft geahndet werden. Bereits das Wort Foul macht den Eindruck, dass wir ihm den Eintritt in die Sprache verwehren wollen. In den Anfängen des Fußballs, wie heute auch noch bei vielen Hobbymannschaften, waren Fouls nach Möglichkeit zu vermeiden. Je ernster der Sport betrieben wird, um so mehr merkt man, dass man, ohne aktiv zu foulen, fast immer den Kürzeren zieht. Der Spieler nimmt also im Zweikampf gern eine Prise von der Rücksichtslosigkeit, die so ein Foul heraufbeschwört. Es ist klar, dass auch die Ausbildung und die Praxis der Trainer vermittelt, wie man Fouls günstig einsetzt, den Verdacht zu vermeiden sucht, man habe vorsätzlich gefoult und insgesamt auch noch dabei auch noch die Unschuldsmine an den Tag legt.

Nun weiß ich wirklich nicht, worauf die Spieler der laufenden Weltmeisterschaft diesbezüglich trainiert sind. 

Da wird also der vielbeachtete und gut bezahlte Spieler Neymar übel gefoult. Er liegt am Boden, hält sich mit den Händen die Fußknöchel fest und wälzt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht minutenlang am Boden. Der Schiedsrichter ist geneigt, den Verursacher mit der gelben oder gar roten Karte zu bestrafen. Da springt Neymar auf, als ob nichts gewesen wäre und begründet den Verdacht des Schiedsrichters, er sei trotz des sichtbaren Fouls einer Spieleinlage aufgesessen. Solche Situationen mehren sich. Man weiß dabei nie, ab der eine oder der andere sich eine Bestrafung eingehandelt haben, oder gar beide.

Offenbar wird der Grundtatbestand des Fouls derart ausgestaltet, dass er Gegenstand der Sportwissenschaften ist und seitens der Trainer so etwas wie ein Training für Fouls geben muss, auch wenn das ein Fremdkörper in der Idee vom fairen Sport ist. Schließlich sind allerdings dann doch die Schiedsrichter mit der Bewerkstelligung des fairen Spiels allein gelassen.

Das legendäre “Mach et Otze!“ des Trainers Ruthemöller an seinen Spieler Ordenewitz (1.FC Köln) markierte bereits im letzten Jahrtausend die Aufforderung, sich über ein Foul die rote Karte zu holen, um dadurch die Bestrafung so zu steuern, dass man für ein hochwichtiges Spiel wieder unbelastet einsatzfähig ist.

Mittlerweile könnten allerdings die Leute vom Theater wertvolle Schützenhilfe leisten, das Foul möglichst so beeindruckend und glaubhaft auf den Platz zu bringen, dass Wirklichkeit und Fiktion untrennbar verschmelzen. Wer würde schon einem sich wälzenden Spieler, der von professionellem medizinischem Fachpersonal vor zigtausend Zuschauern in einen Nebel von Eisspray gehüllt wird sagen, er habe ja gar keine Schmerzen?

Ich bin SchLauspieler. Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe noch reichlich viele Tips, das Foul auszugestalten.

Wir werden von Stofftieren überrollt!

Mit den Stofftieren ist es ja so, wie es völlig zu Unrecht über Flüchtlinge behauptet wird: Es gibt zu viele davon. Familien verfügen regelmäßig über ein Kuscheltierghetto. Nur wenige Kuscheltiere schaffen es mit ihrem herausragenden Charakter und ihrer makellosen Beschaffenheit bis ins Kinderzimmer, es bleiben eben die schönen und gesunden. Anstatt alle anderen fachgerecht zu entsorgen

fachgerecht entsorgtes Kuscheltier

oder bereits an der Grenze abzuweisen, sickern sie durch, bis in die Familienhängematten. Mittlerweile treten viele naive und gutmütige Helfer auf den Plan, die ungeprüft behaupten, hier oder dort gäbe es einen Mangel an Kuscheltieren und ebnen den Weg zur Edelentsorgung der Kuscheltiere aus den Ghettos. Und die Kuscheltierempfänger sind stets so sehr vom inszenierten Lovebombing überwältigt, dass sie nicht einmal adäquat den Edelsondermüll ablehnen können und auch erst auf den zweiten Blick erkennen.

Das alles ist nichts anders als die Entsorgung des Zuckers über Süßigkeiten, zwischengelagert in Omas Schublade.

Eine Begebenheit zeigt, wie verlogen der ganze Kuscheltiertourismus wirklich ist:
In ein Fußballstadion in den Niederlanden – so wurde im letzten Jahr berichtet – wurden irgendwie als benachteiligt ausgewählte Kinder eingeladen. Dann haben irgendwelche Menschen massenweise Kuscheltiere auf die diese Kinder geworfen.

Es gibt sehr wohl Kuscheltiere, zu denen man eine Beziehung gestaltet – aber nicht auf diesem Weg.

Offenbar taugt das zur Serie. Es passiert nun auch anderen Orten und bei anderen Sportarten …

Winterspiele XL

Es gibt viele Schrauben, um die Vielfalt der Sportarten aufzublasen. Man kann neue Sportarten erfinden und in den olympischen Ablauf aufnehmen, durch Strecken- und Technikdifferenzierungen nahezu beliebig Wettbewerbe neu ins Leben rufen und vieles mehr.

Jetzt hat man sich auch an den Siegerehrungen zu schaffen gemacht. Man hat sie optisch und in der Beachtung aufgewertet und dazu die Medals Plaza geschaffen, damit den Sportlern die verdiente Ehrung im gediegenen Ambiente zuteil wird. Die perfekten Fernsehbilder sind eine selbstverständliche Dienstleistung der Olympiaindustrie. Für jeden Medaillensatz flimmert das gleich mehrmals durch die Sportsendungen und dann auch noch durch die jeweiligen Nachrichtensendungen. Das ist aber noch nicht alles. Weil die Sportler meist einen ganzen Tag auf die offizielle Ehrung warten müssen, gibt es unmittelbar nach dem Wettbewerb noch eine kaum weniger aufwändige „flower ceremony“, die sich allerdings bei den gerade laufenden olympischen Winterspielen als Kuscheltierzeremonie entpuppt, weil Blumen zu empfindlich sind. Jeder weiß ja, dass es in den reichen Industrieländern einen extremen Überschuss an Kuscheltieren gibt. An Kindergeburtstagen schließen Eltern mittlerweile kategorisch Kuscheltiere als adäquate Geschenke aus. Unlängst hat man in den Niederlanden tausende von Flüchtlingskinder auf den Rasen eines Fussballstadions eingeladen, um sie von der Tribünen aus mit abertausenden von Kuscheltieren zu bewerfen. Diese menschenverachtende Entsorgung wurde auch noch als Hilfe für Flüchtlinge inszeniert. Ich denke nun mit Schrecken daran, wie die Olympiasieger vergeblich versuchen, eine Beziehung zum Kuscheltier zu gestalten und die Kinder in ihrer Lebenswelt ihnen nur skeptisch begegnen, weil sie damit rechnen müssen, grundlos beschenkt zu werden.

Es hat sich so eingebürgert, dass die Medaillengewinner auch von Fernsehstudio zu Fernsehstudio eingeladen und dort dann auch noch beschenkt werden. Dabei gibt es angemessene Geschenke, wie zum Beispiel eine Kalligraphie mit dem Namen auf koreanisch. Aber es gibt auch fürchterlich sinnlose Geschenke. Beim ZDF bekommen die erwachsenen Olympioniken tatsächlich ebenfalls Kuscheltiere – wahrscheinlich hergestellt in Bangladesch mit einem eingenähten Fähnchen, das das  Senderlogo zeigt.  Okay das letze habe ich mir gerade ausgedacht. Es würde aber ins Bild passen.

Sie reden dem Fußball das Wort

  • Er prüft das Trikot seines Gegenspielers auf Reißfestigkeit und wird mit einem gelben Karton bestraft.

Er nagelt aus zehn Metern das Leder unter die Latte.

Er pflückt die Kirsche am rechten Pfosten souverän runter.

Er gleicht aus dem Nichts als Joker aus.

Er wirft sein Jackett auf die Bank und steht nun im leichten Pulli am Spielfeldrand.

Er steigt am zweiten Pfosten hoch, kann aber den Kopfball nicht richtig drücken.

Er kann sich auf der linken Seite durchtanken und in den Sechzehner eindringen.

Er nimmt das Geschenk dankend an und nickt die Kugel in den rechten Winkel.

Er lässt sich aber nicht beirren und zeigt auf den Punkt.

Er will jetzt nichts mehr anbrennen lassen.

Er spart jetzt Körner für kommende Aufgaben, weil der Drops bereits gelutscht ist.

Er setzt aus einer gestaffelten Defensive heraus gezielte Nadelstiche.

Er lauert auf schnelle Konter.

Er wird am linken Strafraumeck in Szene gesetzt, allerdings abgeblockt.

Er steht goldrichtig und kommt mit dem Bauch an den Ball und schiebt ihn damit über die Linie.

Er spritzt dazwischen und holt noch einen Eckball heraus.

Er hat allen Platz der Welt und zieht einfach mal ab.

Er probiert sich aus 18 Metern in halbrechter Position mit einem Aufsetzer.

Er täuscht eine Rechtsflanke an, legt dann aber die Kugel auf den linken Schlappen.

Er will auf der anderen Seite für Entlastung Sorgen in dem er im Angriffsdrittel den Flügel wechselt.

Er lässt in der Mitte abtropfen.


  •  Wann wird er endlich zur Fahndung ausgeschrieben oder bekommt eine eigene Fernsehshow?
  •  Noch sind fünf Minuten auf der Uhr; noch ist hier ordentlich Feuer drin.

Der Mannschaftssport ist etwas für Individualisten

Beim Fussball wird ja immer die Mannschaft betont. Selbst der überragende Spieler wird sagen, dass nicht er, sondern die Mannschaft das Spiel so gut gemacht hat. Es ist äußerst verpönt, sich direkt als Superstar zu positionieren. Das macht dann besser doch die geneigte Presse. Privat sind Fußballprofis ganz anders — könnte man mutmaßen. Die Zweisamkeit der Spieler mit ausgesucht präsentablen Frauen ist ja auch zu oberflächlich, um hinter der Fassade der Mannschaft ein Individuum zu finden. Und es wäre ja auch wirklich zu blöde, Individualität im Hang zum Eigentor zu entwickeln.

Und nun kommt es nach dem Terroranschlag auf die Mannschaft von Borussia Dortmund, wie es kommen musste. Der Streit darüber, ob man nach so einem Anschlag direkt zur Tagesordnung übergeht oder in der Betroffenheit verweilt, wird direkt für die ganze Mannschaft ausgetragen – entweder, oder – aber das dann doch für alle gleich. Die Psychologen sagen teilweise, man solle nach so einem Ereignis innehalten, also nicht direkt zur Tagesordnung übergehen und den Gedanken ans nächste Spiel aufschieben. Die Psychologen sagen teilweise aber auch, dass die erwünschte Normalität am einfachsten zu erreichen ist, indem man den Kontext der traumatischen Belastung so schnell wie möglich wieder aufsucht.
Lediglich die in sich ruhende Fußballlegende Olli Kahn kommentiert am nächsten Tag wohltuend, dass es ja möglich sei – weil es ja bei so einem Anschlag eigentlich nicht um Fussball geht – dass jeder einen anderen Weg sucht und findet, das einschneidende Ereignis zu bewältigen. Mittlerweile ziehen einige nach.
Aber wo kommen wir da hin, wenn Fussballer als Individualisten nur spielen, wenn und wie sie wollen und die Pläne der Fußballverbände durcheinander bringen. Spätestens an dieser Stelle hört auch für den Fan der Spaß auf. Und die aufgehübschten Frauen drohen in andere Sportarten abzuwandern.
Das Spiel ist als endlose Schleife inszeniert. Der Abpfiff ist der Marker auf der Timeline. Das Spiel löst das Leben ab.

Mein Biathlon

Ich war 13 Jahre alt, als ich die Olympischen Spiele im Fernsehen sehen konnte, im Sommer und im Winter. Das Fernsehen war noch farblos, die technischen Möglichkeiten der Aufnahme, Übertragung und Vorführung auf dem kleinen Röhrenfernseher waren bescheiden. Nach den Spielen 1960 (Rom /Squaw Valley) haben wir dann so ein Buch gekauft, in denen die Sportler vorgestellt und die allgemeinen Hintergründe der Sportarten und die besonderen Bedingungen und Ergebnisse vor Ort vorgestellt wurden. Damals war im Winter der Eiskunstlauf von hervorragendem Interesse. Während die Erwachsenen angespannt die Kür verfolgten und jeden Zweifachsprung bejubelten, hatte ich nur Freude, wenn der unvermeidliche Sturz auf glattem Eis wirklich stattfand. Das Olympiabuch lag mir näher. Ich kannte bald alle Sportarten und alle tragischen wie glorreichen Helden. Ich wusste sogar welche Fechterin mit welchem Boxer irgendwo im Olympischen Dorf getanzt hatte. Dieses Buch lieferte weitaus mehr als die Berichterstattung. Biathlon kam mir total exotisch und eher als Relikt aus den Kriegszeiten vor. Da liefen Männer mit Knarren in den Wald und kamen dann irgendwann wieder raus. Es waren in meiner Erinnerung vornehmlich Russen auf den vorderen Plätzen. Zu sehen gab es eigentlich nichts, weil nie eine Kamera dabei war. Ich dachte an irgendwelche sibirischen Beamten, die mit Ski und Knarre Dissidenten fingen und dann, anstatt einer ordentlichen Bezahlung, ihrem Vaterland die Ehre auf internationalem Parkett sichern durften. Ja wirklich, so habe ich das damals gedacht. Erst heute lese ich, dass ich da gar nicht so falsch lag. Der Militärpatroullienlauf wurde nämlich irgendwann in Biathlon umbenannt. Es war für mich faszinierend, hatte aber überhaupt nichts vom dem, was heute diesen Sport ausmacht.

Was wohl nie vorauszusehen war, ist passiert. Biathlon ist zur Premiumsportart geworden, neben Fußball und Formel 1.

Das liegt daran, dass Biathlon bis zum Ende des Wettbewerbs außerordentlich spannend bleibt und mit medialem Aufwand so ausgestaltet vermittelt wird, dass man jedes Teilereignis miterleben kann. Der Sport wäre bei gleicher Qualität ohne die Medien ein Nischenprodukt, das kaum den Athleten ernähren könnte. Jetzt erlauben es die Zuschauerzahlen, an allen möglichen Stellen Kameras und Experten zu platzieren. Ich gucke verdammt gern Biathlon und freue mich besonders dann, wenn ein Außenseiter ganz nach vorn läuft.

Aber es wird wohl alles anders:

Schneefall kann Wintersport unmöglich machen.
Mangelnder Schneefall kann dagegen mit technischen Hilfsmitteln überbrückt werden.

Der erste Schritt ist also getan, den Wintersport nahtlos in den Sommersport zu übernehmen.


Ich sehe meine Zukunft als Biathlontrainer:
„Hopp, Hopp – auf geht´s!“

Fußballgeschichten

Das Fußballspiel wurde in der Geschichte immer mehr verfeinert. Früher lief man dem Ball nach, heute bekommt man ihn passgenau auf den Fuß gespielt und kann deshalb die Spielzeit optimal nutzen, wenn einem niemand in die Quere kommt.

Noch vor 20 Jahren war es an der Tagesordnung, den Ball vor dem Einwurf gleich mehrmals vor sich auf den Boden zu tippen, um die Schmutzpartikel abzulösen, die die Griffigkeit des Balls und auch schließlich die Flugbahn beeinträchtigen. Heutzutage ist die Oberbekleidung des Fußballers derart dehnbar und saugfähig ausgerüstet, dass der Ball vor dem Einwurf zwischen Hemd und Bauch komplex rotierend gereinigt wird.

Das sind allesamt Fortschritte, die das Fußballspiel in irgendeiner Hinsicht attraktiv machen. Ich kann es aber weiß Gott nicht leiden, wenn eine Fußballmannschaft nach Handballerart immer wieder rings um den gegnerischen Strafraum spielt, weil niemand die Verantwortung für einen Torschuss übernehmen will. Auf drei Brücken der A40 im Stadtbereich Essen lesen wir je nach Fahrgeschwindigkeit räumlich versetzt und zeitlich gedehnt, wie es geht:

„Rahn müsste schießen!“

„Rahn schießt!“

„Tor, Tor, Tor!“