Geh mir weg mit Cranberry …

Ich vertraue meinem Geschmack. Cranberrys sind sauer und schmecken nur dann gut, wenn dazu gesagt wird, dass es „fürchterlich gesund“ ist. So ist der Mensch oft sozialisiert! Aber sie sind gar nicht so gesund, dass es bemerkenswert ist. Man versucht zwar seit Jahren verzweifelt, eine Medizin daraus zu machen und zählt die Vitamine und Spurenelemente auf. Aber all das reicht nicht für einen wirklichen Nachweis.

Klar kann man die Beeren essen, werden sich auch vor 200 Jahren die Siedler in Nordamerika gedacht haben. Denn Not macht erfinderisch.

Mittlerweile sind Cranberrys ein Massenprodukt, das sich schwer vermarkten lässt, weil es viel mehr davon gibt, als die Menschen haben wollen. Cranberrys sind deshalb auf dem Weltmarkt konkurrenzlos billig. Für die weiterverarbeitende Industrie ist es aber ein ideales Produkt. Es wird nahezu automatisch geerntet und problemlos und vielfältig verarbeitet. Die endlosen Felder Nordamerikas werden unter Wasser gesetzt, mit Wasserbewegungen werden die Beeren abgetrennt und dann aus schwimmenden riesigen Teppichen abgesaugt und in die Fabrik verfrachtet. Dort wird man dann auch Zuckerüberschüsse los, weil man dies Beeren sonst überhaupt nicht essen mag. Um die Beeren in den Markt zu drücken bietet man der Lebensmittelindustrie die Beere als billigen Ersatz an, beispielsweise für Rosinen. Aber weil die Cranberry robust ist und fast alles verzeiht, kann man sie auch erfolgreich so verarbeiten, dass sie nach irgend etwas anderem schmeckt. Beliebt sind die Geschmacksrichtungen Kirsche und Heidelbeere. Wenn also mein Kirschjoghurt gar keine Kirschen, sondern Cranberrys erhält, dann ist das ein Erfolg der Vermarktung von Cranberrys und ein Erfolg auf dem Weg, die Kosten für das Endprodukt gering zu halten. Hinzu kommt die Imagewerbung für die Cranberry selbst. Sie ist so erfolgreich, dass viele Leute geneigt sind, sogar Cranberrys als Cranberrys zu verspeisen, weil sie eben als „wahnsinnig gesund“ zu einem überhöhten Preis angeboten werden. Die Chance der Cranberry ist es also, dass sie sich wie kaum etwas anderes zur industriellen Verwertung anbietet und gegen vieles austauschen lässt. Sie steht also der Sojabohne in dieser Hinsicht um nichts nach.

Die Cranberryfarmer können dem Preisverfall kaum standhalten. Die kleineren Farmen geben auf. Die größeren Farmen werden noch größer und rationalisieren noch mehr, und arbeiten erfinderisch an neuen Cranberryprodukten, um am gigantischen, aber sinnlosen Cranberrymarkt zu bestehen. Es geht also mal wieder ums Geld.

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