| Zigarre verpasst |

Ich mag Geschenke!
Seit verdammt vielen Jahren werde ich nun beschenkt. Ich sehe im Rückblick eine Entwicklungslinie des Schenkens, von der ich mich aber immer weiter entferne.

Die Geschenke und auch die tragende Philosophie des Schenkens haben sich so sehr gewandelt, dass ich alte Geschenke und neuere Entwicklungen so sehr beklage, dass ich immer mehr aus der Zeit falle, ohne mir aber die Freude an Geschenken nehmen zu lassen.

In meiner Kindheit waren Geschenke bescheiden. Deren Hauptzweck war – sehen wir einmal von den Sonderfällen der Bestechung und der Versorgung mit überfälligen neuen Kleidungsstücken ab – dass der Schenkende an einer Verbindung weiter knüpft, die ihn mit dem Beschenkten verbindet. Dabei waren und sind Einfühlsamkeit und aber auch Selbstdarstellung gefragt. Denn es geht ja immer um zwei Menschen, die ein Geschenk verbindet. Das Risiko bleibt dabei, dass die Verbindung nicht immer gestärkt wird, nämlich dann, wenn das Geschenk nur einem oder gar keinem der Schenkungsbeteiligten gefällt. Man hat in zurückliegender Zeit dann einfach gesagt: „Ach, das gefällt mir, Danke!“,  und alles blieb vorübergehend in Ordnung. 

Mittlerweile gibt es ja Geschenke auf Bestellung, die man in freiheitlichen Zusammenhängen sogar noch aus einer vorbereiteten Liste aussuchen darf. Das ist dann industriell eingedampfte Einfühlsamkeit und die Selbstdarstellung des Schenkenden bleibt gänzlich auf der Strecke. Die Beziehung zwischen den Geschenkbeteiligten ist dabei jedenfalls unwichtiger als der Rahmen, den das Geschenk kosten darf. Ein selbstgeschriebenes Gedicht, das manchmal lebenslang beglücken kann, steht auf solchen Listen kaum. Man kann auch alles bequem über einen Geschenkladen – gern auch online – abwickeln, der auch Anteilsscheine an größeren Geschenken verkauft. Wer so reich ist, dass ihm die Annahme von Geschenken peinlich wäre, der leitet die in Finanzströme konvertierten Geschenke ohnehin auf das Konto eines Anbieters im globalen Altruismusgewerbe und hat sich das lästige Unboxing und folgende Unannehmlichkeiten erspart. Das mache ich alles nicht mit! Auch Origamigeldscheine habe ich bei aller Unberechenbarkeit nicht im Portefeuille.

In meiner Kindheit waren noch Geschenke gern gesehen, die für Kinder aus der Erwachsenenwelt entlehnt wurde und heute als bösartige Manipulation gedeutet würden. Ich erwähne nur nebenbei den funkensprühenden Panzer, der ab und zu mit seinen Ketten über meine Bettdecke fuhr, wenn ich krank war. Als Kind bekam ich nicht selten Schokoladenzigaretten geschenkt. Die Geschenkindustrie und die korrespondierenden Geschenkmoden haben zwar ihre Zielgruppen im Griff wie nie zuvor, aber eine segensreiche Wirkung von Kinderzigaretten zu inszenieren, war dann wohl doch zu teuer. Man hätte ja auch gleich die gesundheitspolitische Debatte um das Rauchen für Erwachsene ausrotten müssen, um Kinderzigaretten gewinnbringend verkaufen zu können. Und nun ist die Schokoladenkinderzigarette ersatzlos vom Markt verschwunden und die echte Zigarette folgt ihr mit zeitlichem Abstand sogar gehorsam und ohne Qualm zu hinterlassen.

Ich erzähle das nur, weil mir in Kindertagen meine Oma zu Weihnachten gar Schokoladenzigarren geschenkt hatte. Sie waren so täuschend echt rekonstruiert, dass sie von echten Zigarren in ihrem gediegenen Kistlein nicht zu unterscheiden waren. Ich merkte dann aber bald, dass sie gar nicht aus Schokolade waren. Ich habe mich vorschriftsmäßig bedankt und die heiße Ware schmerzlos an meinen Vater weitergegeben. Enttäuscht war ich nicht. Meine Oma hatte sich eben geirrt. Aber sie war insgesamt irgendwie lustig, beanspruchte meine Toleranz aber bis zum Äußersten, als sie mir an meinen Cowboyhut Federn des verstorbenen Kanarienvogels annähte, um mir eine Freude zu machen. Heutzutage betone ich meine Seelenverwandtschaft mit den Indianern …

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