Braucht der Mensch Feiertage?

Selbstverständlich braucht der Mensch Feiertage!

In der aufgeklärten Welt kann man an jedem Tag feiern – oder auch nicht. Die Tage sind dem aufgeklärten Menschen eigentlich nur Zeitabschnitte. Erinnerungen und die hohe Bewertung von Erinnerungen führen allerdings dazu, dass sich Jahrestage zum Andenken oder Nachdenken anbieten. Meistens sind sie privat ohne öffentliche Ansprüche. Allerdings gibt es Erinnerungen, die von Institutionen und ihren Interessen befeuert werden, von den Religionsgemeinschaften, aber auch vom Schützenvereinen oder von Veranstaltern bestimmter Jahrmärkte und so weiter. Man koppelt eine Erinnerung an ein zurückliegendes Ereignis und kann auf diese Weise das Ereignis konservieren, zukunftsträchtig verorten und scheinbar endlos fortschreiben, weil der Kalender den Takt gibt. Meistens sind die auf diese Art und Weise gepflegten Erinnerungen ursprünglich überhaupt nicht so richtig an einen bestimmten Tag gebunden. Wer weiß schon, wann das historische Weihnachtsfest wirklich hätte gewesen sein können, wann der Fall der Mauer wirklich war? Oft werden ausgewählte Symptome verfeiertagt und der entscheidende Kontext zerfließt in der vergangenen Epoche.

Irgendwann werden Gedenktage zu Feiertagen und werden sogar verbindlich, wenn der Staat mitspielt. Aber der Staat wird zu Recht zögerlicher. Feiertage vertieften zwar ursprünglich die an den Tag gebundene Erinnerung, fördern Rituale, die an das Ereignis gebunden waren, manchmal auch ein Festmahl und vor allem einen freien Tag, aber sie zerfleddern auch zum nicht feiertagswürdigen Freizeiteinerlei. Die Erinnerung verblasst.

Zu einer Zeit, als sich das Urlaubswesen noch nicht entwickelt und noch keine Urlaubskultur hervorgebracht hatte, waren die auch im übertragen Sinn heiligen Sonntage, das einzige Ereignis, um dem Jahresablauf zu rhythmisieren und etwas Erholung, Besinnung und Freude zu ermöglichen und die Feiertage wurden wie veredelte Themensonntage gehandhabt. Das hat sich gewandelt. Der Feiertag ist vor allem ein freier Tag, der zur individualisierten Lebensgestaltung genutzt wird, dann aber auch viele Menschen auf den Autobahnen auf dem Weg zu den gleichen Zielen vereint. Die Chance zur Individualität haben die Märkte weitgehend aufgefressen. Es bleibt der Schein. In der aufgeklärten Welt wäre ein weiterer Urlaubstag grundsätzlich wertvoller als ein zusätzlicher Feiertag, dessen Sinn von den Märkten ohnehin unterlaufen wird. Der Vatertag ist das beste Beispiel. Die Gestaltung der Feiertage ist also ein Problem, weil der Feieranlass stets von der Mehrheit in der Selbstbestimmung vernachlässigt und dann mit neuen kostenpflichtigen Wohlfühlarrangements ausgestaltet wird. Diejenigen, die den Feiertag bestimmungsgemäß achten, sind heutzutage stets eine Minderheit.

Die jetzt diskutierte Einführung eines muslimischen Feiertags passt da nicht so recht ins Bild. Er würde sich ohne öffentliche Beachtung des festgelegten Anlasses zu den anderen Feiertagen gesellen. Und wenn der Anlass ernster Art ist, würde er die Erwartungen der Gläubigen nicht erfüllen, weil die sekulare Übermacht den Tag vollkommen konträr performen würde.
Ich verstehe, wenn der eine oder andere muslimische Religionsfunktionär gerne die Teilhabe an der Gesellschaft durch einen spezifischen Feiertag verbreitern würde. Ich verstehe auch, wenn sich Politiker mit der Feiertagsidee beliebt machen wollen. Aber auch sie würden nach einer Einführung das spezifische Gedenken und die zugehörigen Rituale vergeblich einfordern. Alle hätten einen Feiertag, den allein eine kleine Minderheit nutzt, wobei das Feiern in der offenen Gesellschaft ja ohnehin jedermann und jederzeit auch ohne Feiertag möglich ist.

Freizeit ist allerdings ein wertvolles Gut, auch wenn die Nutzungsmöglichkeiten bisweilen einseitig und einfältig gehandhabt werden. Es wäre viel besser, anstatt einen weiteren Feiertag einzuführen, die Urlaubskontingente zu erhöhen und Hilfen anzubieten, aus den Urlaubstagen dann auch etwas Vernünftiges außerhalb jeder Vergnügungsmeile und jedes Einkaufszentrums zu machen. Es könnte ja auch etwas mit Religion zu tun haben.

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