Populismus 2.0 – Showpolitik Kinderehe

Einerseits ist es so, das jeder vernünftige Mensch in Mitteleuropa die Kinderehe ablehnt. Es geht dabei um Ehen, die an anderen Orten wohl üblich sind und dann aber in Deutschland praktiziert werden sollen. Die Regierungsparteien haben mit der gestern verabschiedeten Absicht, die Kinderehe zu verbieten, also nahezu alle Menschen auf ihrer Seite.

Andererseits warnen Experten einstimmig vor solchen Gesetzesinitiativen und begründen das auch: Jurist bestreiten vielfach, dass anderenorts gültige Ehen per Gesetz überhaupt annulliert werden können. Pädagogen sehen unter der Geltung so eines Gesetzes eine angemessene Jugendhilfe als nahezu unmöglich an. Das ganze Instrumentarium der fallbezogenen Analye und Hilfe für ein selbstbestimmtes Leben würde bei pauschalen, gesetzlichen Eingriffen nicht angewendet werden können. Kinderehen sind nicht nur, aber auch, Versuche, Kinder auf einer gefährlichen Flucht sicher und wirksam zu begleiten. Davon erfährt man nichts bei obrigkeitsstaatlichen Eingriffen. Die zwangsweise Auflösung von Großfamilienarrangements zur Kinderheirat haben, in der Kultur bedingt, meist unabsehbare schwerwiegende Folgen für das schutzbedürftige Kind. Nicht selten wird das Kind nach der Zerschlagung des Arrangements erstmals oder abermals traumatisiert und die Zukunft vogelfrei in ständiger Lebensgefahr und ohne vertraute Familienkontakte bewältigen muss.
Es ist also in jedem Fall besser, das Instrumentarium der Jugendhilfe anzuwenden und zu fördern. Hinzu kommt, dass bei allen Gemeinsamkeiten der stets unterschiedlichen Fälle, eine gesetzliche Regelung kaum sinnvoll ist, die ihrem Wesen nach auf wenige äußere Merkmale und zugeordnete Konsequenzen begrenzt ist. Schließlich gibt es in Deutschland aktuell ca. 1500 verheiratete Kinder, unter 14 Jahren sind es ca. 360 Kinder. Solche Fallzahlen machen das bundesweit ohnehin nicht zu einem Problem, das nicht individualisierend zu bewältigen wäre. Wir können uns also getrost mit einfühlsamer pädagogischer Professionalität den Fällen nähern.

Zu beklagen bleibt, dass politische Mehrheiten ihren Mehrwert erhöhen, in dem sie trotz besserer Erkenntnis etwas verbieten wollen und deshalb mit überwältigender Zustimmung aus dem Volk kalkulieren. Man nennt das wohl Populismus im schlechtesten Sinn.

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