Positionierte Kinder

Auf einer obskuren Fanpage sehe ich demonstrierende Kinder auf Plastiklandmaschinen vor dem Kölner Dom. Die Parolen auf den Fahrzeugen kann ich mangels Bildqualität nicht entziffern.

Das, was dem Bürger ein Verfassungsrecht ist, für oder gegen etwas zu demonstrieren, gilt nicht für Kinder.

Der Gesetzgeber weiß es sehr wohl – wie die Eltern aller Kinder eigentlich auch – dass Kinder erst einen an die Entwicklung gekoppelten Schutzraum brauchen, bevor sie mit den Rechten und Pflichten des Bürgers belastet werden. Das eigenständige Demonstrieren hat eine erste Grundlage, wenn man sich aus der engen Bindung an die Eltern gelöst hat. Dann ist man – je nach Entwicklungsstand – aber schon 12 Jahre alt oder älter. Dann kann man zu bestimmten Themen seine Position auch auf Demonstrationen selbst vertreten.

Was ich auf dem Foto sehe, ist das Ergebnis eines generalstabsmäßigen und instrumentalisierenden Missbrauchs von Kindern für die Interessen Erwachsener. Kinder teilen ursprünglich und entwicklungsbedingt die Positionen der Eltern ohnehin – bis sie eben erwachsen werden.

Bürgerrat fordert kostenloses gutes Essen für alle Schulkinder

Ein erstmalig eingerichteter Bürgerrat hat das Thema „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“. Und nun liegen die Ergebnisse öffentlich vor.

Der Bürgerrat spricht mangels Tradition so eines Gremiums zur Ergänzung der parlamentarischen Willensbildung als eine Art Seele des Volkes und liefert damit dann auch ein  volkstümliches Ergebnis. So, wie die Bauern in dieser Zeit als Überzeugungsvehikel die Kraft der Treckermotoren einsetzen, so setzt der Bürgerrat im Ergebnis auf den „gesunden Menschenverstand“, der auf kollektiven Hunger mit Speisung reagiert. Politik müsste intelligenter reagieren.

Dass die immer wieder beklagte „Kinderarmut“ eine Armut der Familien dieser Kinder ist und ein Abbild sozialer Ungerechtigkeit, wird gern übergangen. Kindern zu helfen ist Ehrensache. Aber damit direkt auch noch die soziale Lage geradebiegen, das will man dann doch nicht. Man führt die amerikanische Geschichte vom Selfmademan ins Feld, der könne, wenn er wolle für sich und dann auch noch für Frau und Kinder. Sie sind also selbst schuld – diese armen Leute! – Nur den endgültig Abgehängten hilft man dann in Nächstenliebe.

Die historisch veränderte Familie hat einiges beibehalten. Sie ist nicht nur eine überschaubare Wirtschaftsgemeinschaft, sondern zugleich eine soziale Gemeinschaft mit intensiver Zugehörigkeit. Alle Wechselfälle des Lebens haben ihren Widerhall im Beziehungsgeflecht der Familie mit allen Betroffenheiten und Ereignissen des Glücks, des Leids und den damit verbundenen Selbstheilungskräften der Familie. In der Anerkennung dessen sind eine Familienpolitik, ein Familienministerium und eine bürokratische Vielfalt entstanden, die insbesondere auch den Kindern zugute kommt.

In den letzten Jahren sind nun aber die hilfebedürftigen Familien symptomatisch an „Tafeln“ weitergerecht worden, weil das Bürgergeld nicht einmal dem rechnerisch und rechtlich feststehenden Existenzminimum gerecht wird. Das Bürgergeld allein lässt die betroffenen Menschen hungrig und auch sonst defizitär zurück. Die Kinder sind davon besonders betroffen, weil die Familien ihre Kinder nur unzureichend vor der Übermacht der Armutseinbrüche schützen können.

Das familienbezogene Elend spiegelt sich selbstverständlich in den außerschulischen Kontakten der Kinder. Mangelnde Bildung, Begrenzungen im Sprachgebrauch, Hunger und Angst sind also auch in der Schule allgegenwärtig.

Anstatt die Familien und damit auch deren Kinder angemessen zu fördern, macht man, was der traditionell gehobene Helfer schon lange so macht. Er sorgt für ein wohlernährtes Kind und lässt dessen Familie außerhalb der Betrachtung. Man kann sogar sagen, die dem Reichtum etwas näheren Helfer springen für die Familie in die Sorge um deren Kinder ein. Ehrlich betrachtet ist das ein kalter Entzug eines wichtigen Teils des Sorgerechts verbunden mit der Idee, mit gurkenbelegten Erlebnisbrötchen könne man zeigen, dass die Eltern immer alles nur falsch machen. Würde man das Elternrecht so ernst nehmen, wie es der Gesetzgeber verlangt, würde die Ernährung nicht zur optimierten Schulspeisung, sondern zu einem Familiengericht, bei dem alle auf ihre Kosten kommen.

So, wie die Tafeln dem Staat erlauben, bei der gesetzlich verpflichtenden Versorgung der Hilfebedürftigen zu sparen und den Rechtsanspruch durch Samaritergaben zu ersetzen, sollen jetzt die Kinder erfahren, was gesundes Essen ist, das es es dann exklusiv in der Schule gibt.

Richtig wäre es dagegen, die Familien zu befähigen, ihre Versorgung mit Essen wieder selbst in die Hand zu nehmen. Dazu kann man auch eine Menge entwickeln und übergangsweise sogar auf die Tradition der Butterbrote zurückgreifen, die über Generationen Arbeitnehmer und auch Schüler ernährt haben.

Das PISA und die Kinder

So steht es in den Medien:
„Neue  PISA-Studie: Deutsche Schüler schneiden so schlecht ab wie nie“

Dass man den Leistungstand über die Schüler misst, verstellt den Blick doch sehr stark und trifft die Falschen. Die Schüler sind ja nur Opfer. Alle anderen handelnden Akteure im System Schule müssen sich befragen lassen, welchen Anteil sie selbst an dem dokumentierten Defizit haben.

Es ist ja fast so, wie bei der Bahn: Wenn man systematisch auf Investitionen verzichtet, fällt der Laden irgendwann marode auseinander. 

Man braucht das Geld vor allem dann, wenn es nicht da ist, also kontrazyklisch, und investiert es nicht so, dass es fortan von allem etwas mehr gibt, sondern nutzt dazu die Fachphantasie der Akteure. 

Bildung ist unstrittig einer der Investitionsbereiche mit bester Rendite, wenn man nicht gerade hilflos damit Gräber für Tablets finanziert.

Mit ohne Fernsehen

Gestern war ich im Theater (Krefeld/Mönchengladbach) und habe Cabaret gesehen, eine Musical, das an der Wende zum Nationalsozialismus in Berlin spielt. Es war eine hervorragende Inszenierung. Weil der wichtige Darsteller des Clifford Bradshaw und auch der Ersatzdarsteller krank waren, wurde in der Not kurzfristig Garbor Biedermann aus Stuttgart eingebaut, der seine Textsicherheit mit der Hilfe von Textblättern herstellte, die er immer auf der Bühne mit sich herum trug. Bekannt ist dieser Akteur ja auch aus der TV-Serie Rosenheim-Cops, in der er einen freundlich-eigenbrödlerischen Bürokraten spielt. Wenn jetzt so ein Mann plötzlich als brotloser Schriftsteller in der großstädtischen Halbwelt agiert, verschwimmen dem fernsehgeprägten Zuschauer die Rollen. Aber: Gut gemacht!

„What good is sitting alone in your room?
Come hear the music play.
Life is a Cabaret, old chum,
Come to the Cabaret.

Put down the knitting,
The book and the broom.
Time for a holiday.
Life is Cabaret, old chum,
Come to the Cabaret …“

Diakritika

Ääääää…

Wenn sich aus anderen Sprachen entlehnte Begriffe etabliert haben, fallen gegebenenfalls Diakritika weg, weil sie selten in andereren Sprachen gelten. Die Aussprache wird aber oft beibehalten, allerdings mundartlich angegepasst. So wird aus einem Bon gern einmal ein „Bong“, „Bongbong“ oder „gebongt“.

Ein Begriff wie Premiere ist wegen solcher exklusiven Besonderheiten für Leseanfänger meist nicht zu bewältigen. Sie müssen das Wort als Sonderfall lernen. Warum das Gegenwort Dernière seine Auszeichnung meist beibehält, mag daran liegen, dass sie vergleichsweise selten gefeiert wird. Man kann die Auszeichnung trotzdem weglassen, nimmt dann aber auch dem Leseanfänger einen wichtigen Hinweis auf so eine Besonderheit des Wortes.

Danke şön!

Cheffe aller Moralen

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Die Moral hat unzählige Akteure. Darum ändert sie sich auch ständig.  Es gibt niemanden, der von oben herab wirksame Maßstäbe ausgibt, obwohl es in der Geschichte aller Staaten und Religionen immer wieder Versuche gab, das zu tun. Die Folge war eine moralische Entmündigung, ohne letztlich die Entwicklung aufhalten zu können.

Der fortschrittlich erscheinende Bischof, der jetzt den Moralkodex der Katholischen Kirche renovieren will, will also nur wieder einen Fuß in die Tür kriegen. Denn die Moral ist vor allem auch sein Geschäft.

Bildung würde helfen, die je und je gelebte Moral immer wieder verantwortungsvoll zu justieren.

Die Schule ist doch so schlecht auch wieder nicht

Nach vielen Beobachtungen von und Gesprächen mit einer Freundin, die jetzt auch Grundschülerin ist, stellte sich wieder Frage der Erwachsenen, ob es die Lehrer früher besser hatten, oder ob sie es heute besser haben. Damals war es wohl so, dass die Kinder weniger offensiv waren und eher respektvoll mit den Machtmitteln der Familie für die Schule eingespurt waren, während heute doch sehr viel mehr autonome Kinder auch in der Schule ihr Ding machen.
Die Voraussetzungen für den Schulunterricht haben sich also zumindest sehr stark gewandelt. Und das hat Folgen. Es gibt ein Beispiel, das den Wandel deutlich macht.
Gucken wir einmal auf die Schulmilch, die mittlerweile ihren Zweck verloren hat und nur noch den Handel satt macht.
Wir beobachten eine aus der Sicht der Kinder böse Lehrerin, die sich für die Pause eine Milch beiseite schafft. Wenn ein Kind krank ist, bleibt nämlich so eine Milch übrig. Es wäre heute zu erwarten, dass ein Kind mit guten Argumenten die Lehrerin zur Rede stellt. In den 50er Jahren unterrichtete noch Fräulein Hallmackenreuter (Name geändert), die gerne nach dem bekannten Schema die Milch abzweigte. Verbürgt ist, dass sich mehrere Kinder zusammentaten, um Fräulein Hallmackenreuter unbemerkt in die Milch zu spucken. Heute wissen sie immer noch nicht so genau, ob die Lehrerin das wirklich nicht gemerkt hat.
Wir sind also mit der Schule auf einem insgesamt guten Weg. Meine Freundin mag die Schule in jeder Beziehung und vertraut auch ihrer Lehrerin.

Wir schaffen das!

Man kann ja geradezu jeden Satz drehen und wenden, bis er ganz, ganz schlecht rüberkommt. Wenn man in einer Gruppe auf ein Ziel hinarbeitet und sich hier und da mit unerwartet schwierigem Gelände konfrontiert sieht, dann wird die Zuversicht bekräftigt. Das kulminiert in so einem Satz: „Wir schaffen das!“. Im Leben des Wanderers wie des Forschers gibt es sogar Rückschläge. Sie sind unerwünscht aber trotzdem völlig normal. In der Politik und im Zusammenleben ist es nicht anders.
Als die Kanzlerin Merkel vor einem Jahr, grundlegenden humanitären Ansprüchen folgend, viele Flüchtlinge ins Land gelassen hat, sagte sie zu denen, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge befasst sein würden – und das ist mutmaßlich das ganze Volk: „Wir schaffen das!“
Sie wird im Parteienwettstreit und in den Medien dafür kritisiert, weil sie die Antwort schuldig blieb und bleibt, wer das wie macht, wann es abgeschlossen ist und was es vor allem kostet.
Wer um die Vielfalt des Lebens weiß, der baut allerdings auf Zuversicht und nicht auf abgeschlossene Pläne, nach denen sich das Leben nur selten richten mag.
Die Zuversicht ist darin begründet, dass wir insgesamt menschenfreundlich ausgerichtet und zudem auch noch reich sind und dass wir in der Nachkriegszeit und bei der Auflösung der DDR trotz aller unangenehmen Randerscheinungen auch zunächst ziemlich planlos aber zuversichtlich auf „blühende Gärten“ (Helmut Kohl) hingearbeitet haben, auch wenn am Ende etwas anderes, aber gleichwohl gutes dabei herausgekommen ist. So, wie wir nach dem Grundgesetz, Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit anstreben und nicht über Bord werfen, wenn wir bei genauer Betrachtung doch stets Gewalt, Unfreiheit und Ungerechtigkeit vorfinden, so propagieren wir Zuversicht in humanitären Angelegenheiten. Nach und nach kommen auch Planungen und Verbindlichkeiten in das Szenario an der Schnittstelle der Flüchtlinge und der für Sie neuen Welt. Wir leiden auch gar nicht darunter, dass solche Planungen nicht ausreichen, sondern eher darunter, dass ein Zuviel an bureaukratischem Überbau die Hilfe sinnlos begrenzt. So ist es eben immer noch so, dass der einzelne Flüchtling seine Talente nur zeigen kann, wenn sie dienlich sind, den vorgefundenen Deutschen einen Vorteil bringen: Sie müssen allererst pünktlich sein, traditionell lernbegierig und erfolgshungrig und anpassungsfähig für ihre Positionierung in Beruf und Nachbarschaft. Dabei kommen Flüchtlinge in einer Notlage und nicht, weil sie für ihren elaborierten Mittelschichtstandard in ihrer Heimat kein Anwendungsfeld hatten. Es ist gerade so, als werden sie zunächst als Flüchtlinge aufgenommen und dann aber so behandelt, als hätten sie sich langfristig auf eine Einwanderung vorbereitet und nach einem entsprechenden Training alle Skills verfügbar, um die Einwanderungshürde zu bewältigen.

ppue: Der Bürozwerg
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Der Bürozwerg

Ich kann nur unzureichend vermitteln, warum man Termine einhalten muss. Ich werde nie verstehen, wie man sich in einem unübersichtlichen Waldstück orientiert und dabei 100 Varianten der Farbe Grün unterscheiden kann. Respekt und Zuversicht bringen uns aber trotzdem näher: „Wir schaffen das!“

Nachhilfe

Die Institution Schule hat den Auftrag, schülergerecht zu individualisieren.

Es gäbe keinen Nachhilfeunterricht außerhalb der Schule, wenn dieser Auftrag erfüllt würde.

Zudem verschiebt der Nachhilfeunterricht zur Freude der Lehrer mit der Hilfe finanzkräftiger Eltern das Leistungsniveau nach oben.

Das ist besonders bitter für weniger leistungsfähige Kinder armer Eltern.

Nachhilfeunterricht ist also ein Baustein sozialer Ungerechtigkeit.

Jetzt stellt die Bertelsmann-Stiftung fest, was wir schon immer wissen, dass es eben genau so ist. Impulse, daran etwas zu ändern, bleiben im Dunklen.

Das, was niemand braucht, lässt sich offenbar nicht selten bestens verkaufen.